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Nach Wochen intensiver Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten stellte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Personalien für die neue EU-Kommission vor. Die geplante Struktur des neuen Kollegiums bildet Kernprioritäten um Wohlstand, Sicherheit und Demokratie ab. Eine Verschlankung der Strukturen, stärkere Zusammenarbeit und eine möglichst geschlechterparitätische Zusammensetzung der neuen EU-Kommission waren bestimmend.
(AG/JBA) Am 17.09.2024 gab Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Personaltableau für die nächste EU-Kommission bekannt. Mehrfach wurde die Präsentation der Ressortzuteilungen und der designierten Kommissionsmitglieder verschoben, da bis zuletzt um die von den Mitgliedstaaten nominierten Kandidatinnen und Kandidaten verhandelt wurde.
Neben »klassischen« Ressorts wie Haushalt, Außenpolitik und Erweiterung waren gleich drei neue Ressorts zu vergeben: Mittelmeer, Wohnen und Verteidigung.
Sechs der 26 Kommissarinnen und Kommissare sind sogenannte Exekutiv-Vizepräsidentinnen und -präsidenten:
- Teresa Ribera (Spanien): Wettbewerbspolitik und Umsetzung des europäischen Grünen Deals,
- Henna Virkkunen (Finnland): Digitales, disruptive Technologien, Aspekte der inneren und äußeren Sicherheit und die Grundlagen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit,
- Stéphane Séjourné (Frankreich): Wohlstand und Industriestrategie. Das beinhaltet den Binnenmarkt, KMUs und die Industrie,
- Kaja Kallas (Estland): Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik,
- Roxana Mînzatu (Rumänien): Kompetenzen, Bildung und Kultur, hochwertige Arbeitsplätze und soziale Rechte,
- Raffaele Fitto (Italien): Kohäsion und Reformen.
Die weiteren 20 Kommissarinnen und Kommissare sollen folgende Portfolios erhalten:
- Maroš Šefčovič (Slowakei): Handel und wirtschaftliche Sicherheit, interinstitutionelle Beziehungen und Transparenz,
- Valdis Dombrovskis (Lettland): Wirtschaft und Produktivität, Implementierung und Vereinfachung,
- Dubravka Šuica (Kroatien): Mittelmeerraum und die weitere südliche Nachbarschaft,
- Olivér Várhely (Ungarn): Gesundheit und Tierschutz,
- Wopke Hoekstra (Niederlande): Klima, Netto-Null Emissionen und sauberes Wachstum sowie Steuern,
- Andrius Kubilius (Litauen): Verteidigung und Raumfahrt,
- Marta Kos (Slowenien): Erweiterung, östliche Nachbarschaft und Wiederaufbau der Ukraine,
- Jozef Sikela (Tschechische Republik): internationale Partnerschaften,
- Costas Kadis (Zypern): Fischerei und Ozeane,
- Maria Luis Albuquerque (Portugal): Finanzdienstleistungen sowie Spar- und Investmentunion,
- Hadja Lahbib (Belgien): Vorsorge und Krisenmanagement (Resilienz, Vorsorge und Katastrophenschutz sowie Koordinierung der humanitären Hilfe),
- Magnus Brunner (Österreich): Inneres und Migration,
- Jessika Roswall (Schweden): Umwelt, Wassersicherheit und wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft,
- Piotr Serafin (Polen): Haushalt, Betrugsbekämpfung und öffentliche Verwaltung,
- Dan Jørgensen (Dänemark): Energie und Wohnungswesen,
- Ekaterina Zaharieva (Bulgarien): Start-Ups, Forschung und Innovation,
- Michael McGrath (Irland): Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit, darunter Korruptionsbekämpfung und Verbraucherschutz,
- Apostolos Tzitzikostas (Griechenland): nachhaltiger Verkehr und Tourismus,
- Christophe Hansen (Luxemburg): Landwirtschaft und Ernährung,
- Glenn Micallef (Malta): Generationengerechtigkeit, Kultur, Jugend und Sport.
Folgende sechs Prioritäten sollen die Arbeit der neuen EU-Kommission leiten:
- Stärkung der technologischen Souveränität, Sicherheit und Demokratie der EU,
- Aufbau einer wettbewerbsfähigen, dekarbonisierten Kreislaufwirtschaft,
- Entwicklung einer »mutigen Industriestrategie« (im Mittelpunkt: Innovation und Investitionen),
- Stärkung des europäischen Zusammenhalts und der Regionen,
- Stärkung von Kompetenzen der Menschen sowie Zukunftsfestigkeit des Sozialmodells sowie
- Durchsetzung europäischer Interessen und Einnahme einer Führungsrolle in der Welt.
Das Ziel einer geschlechterparitätischen EU-Kommission konnte nicht ganz erreicht werden, auch wenn der Frauenanteil durch Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten von anfangs 22 Prozent noch auf 40 Prozent angehoben werden konnte. Vier der sechs wichtigen Exekutiv-Vizepräsident/innen-Posten wurden mit Frauen besetzt.
Für die für den Freistaat Sachsen wichtige Kohäsionspolitik soll der italienische Kandidat Raffaele Fito, bislang Europaminister in der Regierung der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, zuständig sein. Der französische Kandidat Stéphane Séjourné soll den für Sachsen ebenfalls wichtigen Bereich der Industriepolitik erhalten. Polen wird künftig den Haushaltskommissar stellen, in dessen Verantwortung unter anderem der für 2025 erwartete Vorschlag für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) fällt. Die Niederlande bleibt auch in der neuen EU-Kommission verantwortlich für Klima, Netto-Null Emissionen und sauberes Wachstum.
Die designierten Kommissionsmitglieder werden nun von den für ihr Ressort zuständigen Ausschüssen im Europäischen Parlaments angehört und müssen von diesen bestätigt werden. Anschließend stimmt das Plenum über die gesamte EU-Kommission ab. Durch den Europäischen Rat werden die Kommissionsmitglieder schließlich formell mit qualifizierter Mehrheit in ihr jeweiliges Amt ernannt.
Als Ergebnis der konstituierenden Sitzung des Europäischen Parlaments in Straßburg steht das Präsidium des Europäischen Parlaments fest. Zudem wurde Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt.
Europäisches Parlament
(JZ) Das neu gewählte EU-Parlament ist am 16.07.2024 in Straßburg zu seiner konstituierenden Sitzung der 10. Wahlperiode (2024 bis 2029) zusammengetreten. Dabei wurde am 16.07.2024 Amtsinhaberin Roberta Metsola (Europäische Volkspartei – EVP) aus Malta mit 562 von 720 Stimmen als Präsidentin des Europäischen Parlaments wiedergewählt. Roberta Metsola, die das EU-Parlament in den ersten 2 ½ Jahren der 10. Legislaturperiode weiterführen wird, gewann die Wahl in geheimer Abstimmung im ersten Wahlgang, in dem sie eine absolute Mehrheit von 562 der 699 abgegebenen Stimmen erhielt. Die zweite Kandidatin, Irene Montero (Die Linke) aus Spanien erhielt 61 Stimmen.
Ebenso am 16.07.2024 haben die Europaabgeordneten die 14 Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten für die erste Hälfte der neuen Legislaturperiode gewählt. In geheimer Abstimmung wurden 11 Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten im ersten Wahlgang und drei weitere im zweiten sowie letzten Wahlgang gewählt.
Die Wahl der fünf Quästorinnen und Quästoren für die erste Hälfte der 10. Legislaturperiode, die gemeinsam mit den 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten das Präsidium des EU-Parlaments bilden, erfolgte am 17.07.2024 in zwei Wahlgängen in geheimer elektronischer Abstimmung. Vier der fünf Quästorinnen und Quästoren wurden im ersten Wahlgang gewählt, ein Quästor im zweiten und letzten Wahlgang.
Zudem billigten die Abgeordneten am 17.07.2024 den Vorschlag über die Anzahl der Mitglieder in den 20 Ausschüssen und vier Unterausschüssen sowie in den 48 ständigen Delegationen.
Die sächsischen Abgeordneten sind für folgende Fachausschüsse nominiert:
MdEP Oliver Schenk (EVP)
- Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI): Mitglied
- Unterausschuss für öffentliche Gesundheit (SANT): Mitglied
- Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE): stv. Mitglied
- Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE): stv. Mitglied
MdEP Matthias Ecke (S&D)
- Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE): Mitglied
- Unterausschuss für Steuerfragen (FISC): Mitglied
- Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON): stv. Mitglied
- Ausschuss für regionale Entwicklung (REGI): stv. Mitglied
MdEP Anna Cavazzini (Die Grünen/EFA)
- Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO): Vorsitzende
- Ausschuss für internationalen Handel (INTA): stv. Mitglied
MdEP Carola Rackete (Die Linke)
- Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI): Mitglied
- Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON): stv. Mitglied
- Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI): stv. Mitglied
MdEP Siegbert Droese (ESN)
- Fischereiausschuss (PECH): Mitglied
- Ausschuss für Verkehr und Tourismus (TRAN): Mitglied
- Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung (SEDE): stv. Mitglied
MdEP Maximilian Krah (fraktionslos)
- Ausschuss für internationalen Handel (INTA): Mitglied
- Haushaltsausschuss (BUDG): stv. Mitglied
Europäische Kommission
Am 18.07.2024 hat das EU-Parlament in geheimer Papierabstimmung Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission gewählt. Das EU-Parlament besteht derzeit aus 719 Abgeordneten, so dass die erforderliche Mehrheit 360 Stimmen betrug. 401 Abgeordnete stimmten mit Ja, 284 mit Nein, 22 gaben leere oder ungültige Stimmen ab.
In ihrer Rede umriss von der Leyen ihre Politischen Prioritäten für die nächsten fünf Jahre und warb eindrücklich um die Unterstützung durch die demokratischen Kräfte des EPs (EVP, S&D, Grüne/EFA, Renew). Sie verschloss dabei aber nicht die Tür gegenüber der EKR. »Europe is stronger, when we bridge our differences and join our forces.« Zudem sehe von der Leyen die Schaffung zwei neuer Kommissarszuständigkeiten für die Bereiche »Wohnungswesen« und »Mittelmeerraum« vor.
Zentrale Punkte der Rede waren:
- Erste Priorität: »Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit« versöhnt mit dem Grünen Deal.
- Durch Bürokratieabbau, den jeder Kommissar in seinem Portfolio vortreiben soll, koordiniert durch Vizepräsidenten.
- Finanzierung auf privater Seite durch »Savings- und Investment Union« auf öffentlicher Seite durch einen »Competitive Investment Fund« zur Finanzierung des »New clean industrial deal« (Vorschläge in kommenden 100 Tagen).
- Krieg in der Ukraine: Hier längster Applaus wegen sehr deutlicher Kritik an »Friedensmission« des Ungarischen Ministerpräsidenten Orban und Aussage: »EU will stand with Ukraine for as long as it takes.«
- Europäische Verteidigungsunion: NATO bleibt Säule der kollektiven Verteidigung aber Notwendigkeit zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben und gemeinsamer EU-Projekte.
- Migrations- und Asylpolitik u. a. Versprechen zu Grenzsicherung (Verdreifachung von Frontex auf 30.000), strikterer Rückführung und Abkommen mit Drittstaaten.
- Nachbarschaftspolitik: Klare Bekenntnis zur EU-Erweiterung bei ausreichenden Fortschritten der Beitrittskandidaten.
- Landwirtschaft: Auffallend ausführlich, will Dialog aufsetzen sowie Strategie und zuständigen Kommissar.
- Soziale Gerechtigkeit hier Priorität auf Thema Wohnraum, mit zuständigem Kommissar und Sicherstellung privater und öffentlicher Investitionen.
- Änderung der EU-Verträge zur Stärkung des EP und dessen Initiativrechts wohl insbesondere an die Grünen gerichtet.
In den folgenden Interventionen der Fraktionsvorsitzenden sprachen EVP, S&D, Renew Europe klare Wahlempfehlungen für von der Leyen aus. Auch von Terry Reintke (Grüne/EFA/Deutschland) kam eine klare Wahlempfehlung: »We need to keep a pro-european democratic compromise.«
Die EKR machte klar, dass ihre Abgeordneten frei abstimmen werden (Italien schien offener, Polen klar dagegen). René Repasi (S&D/Deutschland) machte mit Blick auf die EKR klar, dass von der Leyen von allen Zugeständnissen gegenüber Parteien rechts der EVP absehen solle.
Eine strikte Ablehnung gab es, wenig überraschend, von Rechtsaußen (Partrioten für Europa [PfE], Europa Souveräner Nationen [ESN]) sowie Linksaußen (Die Linke).
Nächste Schritte:
22.-25.07.2024:
Konstituierende Sitzungen der parlamentarischen Ausschüsse in Brüssel – Abstimmungen über die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Ausschüsse
Juli/August 2024:
Benennung der Kommissarskandidatinnen und -kandidaten durch die Mitgliedstaaten
02.09.2024:
Vorstellung des neuen Organigramms der Europäische Kommission und der künftigen Portfolios
30.09.2024 – 04.10.2024:
Anhörung der Kandidatinnen und Kandidaten im Europäischen Parlament – dürfte erfahrungsgemäß etwas länger dauern
21.10.2024:
Abstimmung im Europäischen Parlament über die neue Europäische Kommission
01.11.2024:
Vereidigung der neuen Europäischen Kommission
Deutsch-französische Änderungswünsche zur Strategischen Agenda sorgen beim EU-Gipfel für Verzögerung in letzter Minute. Doch am Ende klappte es im zweiten Anlauf auch beim Personalpaket ohne größere Misstöne. Der eigentlich vorgesehene zweite Gipfeltag wurde abgesagt.
(JZ) Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron verzögerten die Diskussionen beim Brüsseler EU-Gipfel am 27.06.2024 durch Änderungswünsche an der Strategischen Agenda, die unter anderem Klimapolitik und Verteidigung betrafen. Diese Wünsche wurden jedoch nicht umgesetzt. Charles Michel verkündete später die Einigung und leitete die Diskussion über die Spitzenposten ein. Es wurden auch Themen wie Nahost und Verteidigungsausgaben von 500 Mio. EUR diskutiert, wobei Bundeskanzler Scholz eine gemeinsame Finanzierung ablehnte.
Mit Blick auf die Besetzung der EU-Top-Jobs haben sich die europäischen Partei-Familien von Christdemokraten (EVP), Sozialisten (S&D) und Liberalen (Renew Europe) beim EU-Gipfel geeinigt: Sie werden dem Europäischen Parlament EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin vorschlagen; der ehemalige portugiesische Ministerpräsident António Costa (S&D) soll Ratspräsident werden; die liberale Ministerpräsidentin von Estland, Kaja Kallas, Außenbeauftragte der EU. Roberta Metsola (EVP), die wieder Parlamentspräsidentin werden soll, soll ihr Amt nach der Hälfte der Wahlperiode an einen Sozialisten abgeben.
Um eine Einigung zu ermöglichen, hat die EVP auf ihre ursprüngliche Forderung verzichtet, nach zweieinhalb Jahren selbst den ständigen Ratspräsidenten zu stellen und António Costa abzulösen. Hintergrund: Der Ratspräsident wird zunächst nur für eine halbe Amtsperiode (2,5 Jahre gewählt), Kommissionspräsidentin und Außenbeauftragte für die vollen fünf Jahre. Nach der Einigung des Rates hat Costa seinen Posten bereits sicher und steht als neuer Ratspräsident ab dem 01.12.2024 fest. Ursula von der Leyen benötigt noch die Zustimmung des EU-Parlaments, das voraussichtlich am 19.07.2024 in Straßburg abstimmt. Die Kommissionspräsidentin hat derzeit sechs Stellvertreter. Die Vergabe dieser Posten entscheidet sich erst im Herbst. Kaja Kallas muss noch en bloc mit den anderen Kommissar/innen bestätigt werden.
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia, EKR) sei verärgert über das im Vorfeld geschnürte Personalpaket gewesen. Sie enthielt sich bei der Wahl von Ursula von der Leyen und stimmte gegen António Costa sowie Kaja Kallas. Der ungarische Ministerpräsident, Viktor Orbán, habe gegen von der Leyen, aber für Costa gestimmt und sich bei Kallas enthalten.
Als Ergebnis der Europawahlen vom 06.-09.06.2024 steht fest: Sachsen wird künftig mit sechs Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten sein. Das zehnte direkt gewählte EU-Parlament mit insgesamt 720 Abgeordneten wird sich Mitte Juli 2024 konstituieren.
(JZ) Vom 06.-09.06.2024 fanden die Wahlen der zehnten Legislaturperiode des EU- Parlaments statt. In Deutschland, wo erstmals auch die 16- bis 18-Jährigen wählen konnten, war die Wahl für den 09.06.2024 terminiert.
Es wurden insgesamt 720 Abgeordnetenmandate vergeben, darunter 96 an deutsche Kandidat/innen. Insgesamt waren 360 Millionen Personen wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung betrug europaweit 57,4 Prozent (2019: 50,6 Prozent). In Deutschland lag sie bei 64,8 Prozent und erreichte somit einen neuen Höchstwert (2019: 61,4 Prozent).
Im Ergebnis haben die Europawahlen die politische Landschaft der EU verändert und ihr für die nächsten fünf Jahre einen neuen Weg gewiesen. Die Stärkung der Rechten wird wahrscheinlich zu einer Neuausrichtung auf Sicherheit, äußere Bedrohungen und den Ausbau der europäischen Verteidigungskapazitäten, die Wiederbelebung der Industrie und die Förderung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit sowie der Digitalisierung führen.
Das Ergebnis deutet auch darauf hin, dass die Europäische Volkspartei (EVP), obwohl sie im Vergleich zu 2019 nur geringfügig an Sitzen hinzugewonnen hat (+8, insgesamt 184 Sitze), ihren verhältnismäßigen Einfluss erhöhen könnte, da sie nun über stärkere Mehrheitsalternativen in Gesetzgebungsdossiers verfügen könnte.
Im Gegensatz dazu befinden sich Die Grünen in einer geschwächten Position (52 Sitze und nur noch sechstgrößte Fraktion) und stehen nun vor der Wahl, keinen EVP-Kandidaten zu unterstützen und damit die Möglichkeit zu verlieren, politische Prioritäten zu beeinflussen.
Auch die liberale Fraktion (Renew Europe) ist mit einem starken Rückgang von 22 Sitzen konfrontiert und nur noch geringfügig größer (80 Sitze) als die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) (73 Sitze).
Die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (S&D) wird mit 139 Sitzen voraussichtlich stabil bleiben, wobei die spanischen und rumänischen Sozialisten das schwache Ergebnis in Deutschland ausgleichen werden. Der Einfluss innerhalb der Fraktion wird sich wahrscheinlich ebenfalls ändern, da die spanische und die italienische Delegation eindeutig die stärksten sind, während die deutsche an Einfluss verlieren wird, da die rumänische und die französische Delegation dicht dahinterliegen.
Insgesamt ist der erwartete Rechtsruck eingetreten, wenn auch nicht so deutlich wie in den Umfragen angegeben. Die starken Ergebnisse in Frankreich und Italien werden wahrscheinlich den Gesamteinfluss erhöhen, aber es bleibt fraglich, ob sich dies in Einfluss im EU-Parlament niederschlagen wird. Ungeachtet dessen wurde die europafreundliche und demokratische Mitte gestärkt.
Für Sachsen im EU-Parlament
Für Die Grünen zieht erneut Anna Cavazzini ins EU-Parlament ein. Die Chemnitzerin wurde 2019 zum ersten Mal gewählt, stand diesmal auf Rang drei der Bundesliste. Sie ist Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und setzt sich für den „Europäischen Grünen Deal“ ein, bis 2050 einen klimaneutralen Kontinent zu schaffen. Cavazzini hat Internationale Beziehungen studiert.
Eine weitere Wahlperiode steht ebenfalls für den SPD-Politiker Matthias Ecke an. Der Dresdner war im Mai bundesweit bekannt geworden, nachdem ihn mutmaßlich rechtsextreme Jugendliche beim Aufhängen von Wahlplakaten schwer verletzten. Ecke war Ende 2022 für Constanze Krehl nachgerückt, die ihr Mandat niedergelegt hatte. Für die Europawahl rangierte der Politikwissenschaftler auf dem zehnten Platz der Bundesliste.
Die sächsische CDU wird künftig durch Oliver Schenk, den amtierenden Chef der Sächsischen Staatskanzlei und Platz eins der CDU-Landesliste, vertreten sein. Der Dresdner war u. a. Büroleiter und Redenschreiber des ehemaligen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU), danach arbeitete er unter anderem in der Führung der Bundes-CDU.
Nach dem Rückzug von Cornelia Ernst wird die parteilose Klimaaktivistin und Seenotretterin Carola Rackete für die LINKE künftig auch den Freistaat mitvertreten. Die sächsische LINKE hatte Rackete, die aus Schleswig-Holstein stammt, als Spitzenkandidatin aufgestellt. Rackete hatte internationale Bekanntheit erlangt, als sie 2019 als Kapitänin der „Sea Watch“ Geflüchtete im Mittelmeer gerettet und mit dem Schiff auf Lampedusa (Italien) angelegt hatte.
Wieder in das EU-Parlament einziehen wird Maximilian Krah für die AfD. Der Dresdner ist bereits seit 2019 Europaabgeordneter und war nun Spitzenkandidat für die aktuelle Wahl. Zuletzt hat Krah immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Die AfD schloss ihn aus ihrer Delegation für das EU-Parlament aus, um anschlussfähig für die französische Rechte, Rassemblement National, und damit für die Fraktion rechtspopulistischer, nationalistischer und rechtsextremer Parteien (Identität und Demokratie, ID) zu bleiben. Neben Krah wird mit dem Leipziger Kreisvorsitzenden Siegbert Droese künftig ein weiterer Sachse für die AfD im EU-Parlament sitzen.
Nächste Schritte:
Die derzeitigen Vorsitzenden aller Fraktionen treffen sich momentan mit Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, um die nächsten Schritte, einschließlich der Frage, wer die nächste Präsidentin/der nächste Präsident der Europäischen Kommission und des EU-Parlament werden könnte, zu besprechen.
Während die Fraktionen technisch gesehen bis zum Beginn der ersten Plenartagung am 16.07.2024 Zeit haben, um der Parlamentspräsidentin/dem Parlamentspräsidenten ihre Zusammensetzung mitzuteilen, haben sie intern eine Frist gesetzt.
Der Zeitplan für die Fraktionen des EU-Parlament ist knapp bemessen. Zu den wichtigsten Terminen gehören die Diskussion der EVP über neue Mitgliedschaften am 18.06.2024 und die Wahl ihrer Präsidentin/ihres Präsidenten am 19.06.2024. Die Grünen werden ebenfalls am 19.06.2024 ihre beiden Ko-Vorsitzenden neu wählen. Die Sozialdemokrat/innen werden am 25.06.2024 ihre Präsidentin/ihren Präsidenten wählen, gefolgt von der Fraktion Die Linke. Die liberale Renew Europe und die EKR werden ihre Umbesetzungen am 26.06.2024 abschließen, die rechtsextreme ID am 04.07.2024.
rescEU bringt für dieses Jahr 556 Feuerwehrleute aus 12 Ländern als Stand-by-Verstärkung an wichtigen Standorten in Europa zusammen.
(AV) Mit Blick auf die beginnende Waldbrandsaison unternimmt die EU Schritte, um die Brandbekämpfung zu verstärken. Dies gab die Europäische Kommission am 14.05.2024 bekannt. Zum fünften Jahrestag von rescEU bringt die EU für dieses Jahr 556 Feuerwehrleute aus 12 Ländern zusammen. Sie werden in diesem Sommer an wichtigen Standorten in Europa (Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien) strategisch eingesetzt und können den lokalen Feuerwehren helfen, wenn Waldbrände ausbrechen. Diese Maßnahme (»Prepositioning«) stärkt die Bereitschaft Europas, Waldbrände zu bekämpfen und deren verheerende Auswirkungen auf Leben, Häuser und Umwelt zu mildern. Außerdem hat die EU-Kommission 600 Mio. Euro an EU-Mitteln bereitgestellt, um den künftigen Erwerb von 12 neuen Löschflugzeugen zu erleichtern. Sie sollen auf sechs Mitgliedstaaten verteilt werden. Neun Hubschrauber werden künftig auch von der EU finanziert, um die EU-Flotte zur Brandbekämpfung aus der Luft zu stärken. Für den Sommer 2024 umfassen die Kapazitäten von rescEU und dem Europäischen Katastrophenschutz-Pool nun 28 Flugzeuge und 4 Hubschrauber. Sie sind in zehn Mitgliedstaaten stationiert und werden zur Unterstützung von Feuerwehrleuten auf dem gesamten Kontinent zur Verfügung stehen.
In der EU sind im Jahr 2023 mehr als eine halbe Million Hektar durch Waldbrände zerstört worden. Die verbrannte Fläche entspricht zweimal der Größe Luxemburgs, wie aus einem Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (JRC) hervorgeht. Sollte der Notfall zusätzliche lebensrettende Hilfe erfordern, werden über die rescEU-Brandbekämpfungsreserve weitere Kapazitäten zur Bewältigung von Katastrophen in Europa bereitgestellt. Sie umfasst eine Flotte von Löschflugzeugen und -hubschraubern, medizinischen Evakuierungsflugzeugen sowie einen Bestand an medizinischen Gütern und Feldkrankenhäusern, die auf gesundheitliche Notlagen reagieren können.
Am 18.04.2024 fand in Antwerpen das Leaders Meeting statt. Auf Initiative des flämischen Ministerpräsidenten Jan Jambon wurden unter belgischem Ratsvorsitz die Regierungschefinnen und -chefs von neun innovativen europäischen Regionen nach Antwerpen eingeladen: Auvergne-Rhône-Alpes, Baskenland, Baden-Württemberg, Katalonien, Hauts-de-France, Lombardei, Niedersachsen, Oberösterreich und Sachsen.
(JZ) Während des Gipfels, bei dem der Freistaat Sachsen durch den Staatssekretär und Amtschef im Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung, Mathias Weilandt, vertreten wurde, führten die Vertreterinnen und Vertreter der teilnehmenden Regionen Konsultationen durch und ermittelten mögliche Kooperationsmöglichkeiten in fünf strategischen Interventionsbereichen:
1) Kleine und mittlere Unternehmen fit für die Zukunft;
2) Europäische Regionen fit für die digitale Welt;
3) Europäische Regionen fit für einen nachhaltigen Wandel;
4) Ein Europa fit für den globalen Wettbewerb;
5) Europäische Regionen qualifiziert für die Zukunft.
Ziel des Treffens war es, die regionale und damit auch die europäische Widerstandsfähigkeit zu stärken und der Europäischen Union zu signalisieren, dass die Regionen wichtige Hebel zur Bewältigung globaler Herausforderungen in der Hand haben. In diesem Sinne will die Region Flandern die Grundlagen für eine vertiefte langfristige Zusammenarbeit der Regionen schaffen. Die Regionen identifizierten die oben genannten fünf strategischen Interventionsbereiche. Für jeden dieser fünf Bereiche wurden konkrete Maßnahmen aufgelistet, die das Leben der europäischen Bürgerinnen und Bürger erheblich verbessern können. Dazu gehören Initiativen zur Überwindung der digitalen Kluft oder zur Förderung von Partnerschaften zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen.
In einer Gemeinsamen Erklärung fordern die Regionen die europäischen Institutionen und alle beteiligten Akteurinnen und Akteure auf, die Regionen als Partner zu betrachten, die europäische Politikgestaltung mit einer echten regionalen Perspektive zu bereichern und das Mehrebenensystem der EU zu stärken. In der Erklärung werden auch die Prioritäten der teilnehmenden Regionen für die strategische Agenda der EU 2024 – 2029 dargelegt.
Der aus dem regionalen Gipfeltreffen resultierende Bericht und die unterzeichnete gemeinsame Erklärung werden den verschiedenen EU-Institutionen vorgelegt und mit ihnen diskutiert. Zudem wird der Ministerpräsident von Flandern sie auch bilateral den Mitgliedern der Europäischen Kommission vorlegen.
Am 09.04.2024 fand in den Räumen der Vertretung des Freistaates Sachsen bei der Europäischen Union eine Podiumsdiskussion zu einem der aktuell meistdiskutierten EU-Themen statt, der Kohäsionspolitik. Das Podium war mit drei an den Entscheidungs- und den Umsetzungsprozessen maßgeblich Beteiligten besetzt.
(AA) Nicht zuletzt durch den gerade veröffentlichten 9. Kohäsionsbericht und durch das 9. Kohäsionsforum ist das Thema Kohäsionspolitik zurzeit in Brüssel in aller Munde. Die große, auch mittelfristige Bedeutung dieses Politikfeldes dürfte dennoch für das aktuelle Interesse der Hauptgrund sein.
Die vom Brüsseler Büro des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) gemeinsam mit der Vertretung des Freistaates Sachsen bei der Europäischen Union organsierte Veranstaltung griff dieses Thema auf.
Das Podium war mit dem sächsischen MdEP Matthias Ecke (S&D), Anna-Lena Zademach-Schwierz von der Generaldirektion für Regional- und Stadtentwicklung der Europäischen Kommission und Dr. Dominik Meister von der Sächsischen Aufbaubank (SAB) mit Insidern der verschiedenen Politik- und Handlungsebenen exzellent besetzt.
Anhand der aktuellen Förderperiode wurde die Frage diskutiert, welche Maßnahmen sinnvoll sind, um zwischen reicheren und ärmeren Regionen in der EU einen Ausgleich zu erreichen und den Folgewirkungen der ungleichen wirtschaftlichen Entwicklung sowie des Strukturwandels entgegenzuwirken.
Die allein für Sachsen gut 3 Mrd. EUR aus den verschiedenen Fördertöpfen entfalten aus Sicht der SAB eine positive Wirkung vor allem im Sinne der Förderung einer zukunftsfesten Entwicklung der Region. Der in der sächsischen Öffentlichkeit bekannteste Baustein der Kohäsionspolitik ist zweifelsohne der Just Transition Fund, aus dem die Mittel für die Förderung des Strukturwandels in den Kohleregionen stammen.
Die Zuteilungs- und Prüfkriterien, die aus Brüssel vorgegeben wurden, haben sich aus Sicht der EU-Kommission als Rahmen für diese Förderungen und Entwicklungsperspektiven bewährt, auch wenn sie auf nationaler Ebene in Deutschland vielleicht momentan noch zu detailbetont umgesetzt werden.
Ohne dass einer der Podiumsteilnehmer eine Zukunftsvorhersage treffen wollte, betonte der Europaabgeordnete Matthias Ecke die Bedeutung der aktuellen Förderungen und machte deutlich, dass er auch kommende Förderungen in den sächsischen Strukturwandelregionen für notwendig und zielführend erachte und sich genau dafür einsetzen werde.
Alle Beteiligten wiesen darauf hin, dass die Fortführung der Kohäsionspolitik vor der Herausforderung stehe, dass insbesondere infolge der schwierigen Haushaltslage auf EU-Ebene künftig Mittel vielleicht nicht in der gewünschten Höhe zur Verfügung stehen könnten. Die Diskussion über die Höhe der zukünftig zur Verfügung stehenden Mittel und wie diese verwendet werden, werde ein zentrales Thema in der Vorbereitung der kommenden Förderperiode ab 2028 sein. Weitgehend einig war man sich auf dem Podium darüber, dass regionalwirksame Entscheidungen auch zukünftig nicht zentralistisch getroffen werden dürften, sondern in Abstimmung mit und unter Berücksichtigung von regionalen Entscheidungsprozessen gefunden werden müssten.
Dem 70-köpfigen Fachpublikum bot die kompakte Mittagsveranstaltung in rund 75 Minuten einen lebhaften Einblick in den sich entwickelnden Prozess der verschiedenen Förderinstrumente mit Schwerpunkt auf Sachsen und dem Ziel einer angemessenen Fortsetzung der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, sozialen Integration und territorialen Kohäsion.
Unter dem Titel »Eine erneuerte Kohäsionspolitik, bei der niemand zurückgelassen wird« fand am 18. und 19.03.2024 in Mons (Belgien) das 10. Europäische Gipfeltreffen der Regionen und Städte statt. Der zweitägige Gipfel ist die größte Veranstaltung des Europäischen Ausschusses der Regionen, bei der sich lokale und regionale Mandatsträger/innen treffen, um Europa aus den Regionen und Städten heraus zu gestalten. Sachsen wurde von Staatsminister Schmidt vertreten. In der Erklärung von Mons wurden weitreichende Forderungen für die Zukunft der Regionen beschlossen.
(HJG) Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) feiert sein 30-jähriges Bestehen im belgischen Mons und plädiert für eine Aufwertung der Institution. Die Erklärung von Mons hebt auf die Betroffenheit lokaler und regionaler Gebietskörperschaften von europäischer Politik ab und betont die Notwendigkeit, Regionen und Städte als Handlungsebenen aktiv einzubeziehen. In der Erklärung von Mons finden sich insbesondere folgende zentrale Forderungen:
- Die Kohäsionspolitik muss ein Eckpfeiler des europäischen Projekts und das wichtigste Investitionsinstrument der EU für langfristigen innovativen Wandel und Solidarität bleiben. Hierfür werden öffentliche Investitionen auf der Grundlage einer Aufstockung der Haushaltsmittel gefordert.
- Der AdR bekennt sich zum europäischen Grünen Deal mit dem Ziel, Klimaneutralität zu erreichen, die biologische Vielfalt zu erhalten bzw. wiederherzustellen, den Wohlstand zu gewährleisten und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen.
- Dem AdR als legitimer politischer Versammlung der Kommunal- und Regionalvertreter/innen muss insbesondere bei Maßnahmen mit einer lokalen oder regionalen Dimension mehr Gewicht im institutionellen Gefüge und im Gesetzgebungsverfahren der EU gegeben werden.
- Der AdR fordert die Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Vorbereitung von Reformen der EU und der Erweiterung, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Governance und die Politik wie die Kohäsionspolitik und die Gemeinsame Agrarpolitik.
Darüber hinaus spielt die Zukunft der Kohäsionspolitik eine herausragende Rolle auf dem Gipfeltreffen: Die politische Diskussion um den Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union nach 2027 läuft bereits und der AdR bringt sich und die Forderungen der Regionen und Städte mit Stellungnahmen und Initiativen wie der Kohäsions-Allianz in die Debatte ein. Dazu Staatsminister Schmidt: »In Brüssel wird heute schon über die Haushaltspolitik nach 2027 diskutiert. Dabei müssen wir, die europäischen Regionen, auf uns aufmerksam machen und unsere spezifischen Herausforderungen deutlich benennen. Die Kohäsionspolitik ist für die Zukunft der Regionen und der EU als Ganzes äußerst bedeutsam. Mit dem Just Transition Fund haben wir ein neues und starkes Förderinstrument, mit dem wir die Wirtschaft beim Strukturwandel unterstützen. Es ist klar, dass wir dieses Instrument auch nach 2027 noch benötigen. Außerdem sollte es für weitere Transformationsprozesse geöffnet werden.«
Der Freistaat Sachsen war auf dem Gipfel mit zwei Ständen vertreten. Die »Automotive Intergroup« des AdR (CoRAI), deren Vorsitzender Staatsminister Schmidt ist, präsentiert sich mit den Partnern »Automotive Regions Alliance« und »Automotive Skills Alliance« auf einem gemeinsamen Stand. Die im vergangenen Jahr in Pamplona von Staatsminister Schmidt mitunterzeichnete Erklärung der drei Partner sieht vor, die Bemühungen eines gerechten Wandels in der Automobilindustrie zu forcieren und den betroffenen Regionen eine starke Stimme zu verleihen. Beim Besuch des Standes hob Staatsminister Schmidt hervor: »Eine erfolgreiche Transformation einer Automobilregion erfordert gezielte Maßnahmen auf Basis einer fundierten Folgenabschätzung durch die Europäische Kommission.« Gespräche mit Franck Leroy (Präsident der Region Grand Est), Radim Sršeň (Tschechischer Vize-Minister für Regionalentwicklung), Petr Kulhánek (Landeshauptmann der Region Karlovy Vary), Markku Markkula (Erster Vize-Präsident des AdR), Juraj Droba (Governor der Region Bratislava), József Berényi (CoRAI-Co-Chair, Region Bratislava) und mit vielen Weiteren am Automotive-Stand zeigten die Bedeutung eines intensiven Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen den Regionen.
Sachsen war zudem mit der »European Semiconductor Regions Alliance« (Allianz der Europäischen Halbleiterregionen, kurz: ESRA) auf dem Gipfel durch die Sächsische Staatskanzlei in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung vertreten. Ministerpräsident Michael Kretschmer ist amtierender Vorsitzender der ESRA, die sich als Plattform der Regionen und Partner der EU-Kommission bei der Umsetzung des Europäischen Chip-Gesetzes versteht. Sie will einen aktiven Beitrag zur Stärkung Europas als Halbleiter-Standort im globalen Wettbewerb leisten und die Wettbewerbsfähigkeit der Halbleiterindustrie in den Regionen der europäischen Mitgliedsstaaten sowie der gesamten Europäischen Union fördern. Staatsminister Schmidt, der im AdR Berichterstatter zum European Chips Act (ECA) war, betonte bei seinem Besuch am ESRA-Stand: »Wir haben konkrete Erwartungen an die Europäische Kommission: Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes beginnt die Arbeit erst richtig. Ich möchte die EU-Kommission ermuntern, nun als Partner der Regionen aufzutreten. Bei der Neuansiedelung von Chipfabriken brauchen wir in den Regionen vor allem schnelle Entscheidungen über Beihilfen.« Unterstützt wurde er dabei durch Erwin Hoogland (Provinzregierung Overijssel) sowie durch weitere Vertreter aus den Halbleiterregionen Noordbrabant und Overijssel (beide Niederlande).
Sowohl die Plenarsitzung als auch die Diskussionen an den Ständen haben immer wieder gezeigt, dass man sich der Herausforderungen bewusst ist, die die Kohäsionspolitik mit sich bringt. Dennoch ist es wichtig, sie weitestgehend unkompliziert zu gestalten und entsprechend anzupassen. Von zentraler Bedeutung sind die Regionen und ihre bedarfsorientierten Investitionen. Alle Mitgliedsregionen verfügen über unterschiedliche Stärken, Potenziale und Bedingungen. Die Kohäsionspolitik soll dazu beitragen, die Herausforderungen auf lokaler, regionaler und europäischer Ebene erfolgreich zu bewältigen.
Auch zum Thema Digitale Innovation wurde eine angeregte Podiumsdiskussion geführt. Die Teilnehmer/innen waren sich einig, dass technologischer Wandel zwar Zeit benötige, die Digitalisierung jedoch in raschem Tempo voranschreite. Es wurde daher dazu aufgerufen, verstärkt Investitionen in die Forschung zu tätigen, wobei die faire Inklusion aller Regionen in der EU nicht aus dem Blick verloren werden dürfe. Vorgestellte Erfolgsgeschichten verdeutlichten, dass besonders weniger industrialisierte Regionen vom technologischen Wandel profitieren. Auch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz bis in den Weltraum wurde erwähnt.
Insgesamt verdeutlichte der Gipfel die Stärke und Kraft der Regionen, europäische Politik erfolgreich mitgestalten zu können und forderte zurecht für die Regionen und Städte ein größeres Gewicht im europäischen Gefüge.
Hochrangige Gruppe von Expertinnen und Experten legt Bericht zur Zukunft der Kohäsionspolitik vor. Nur eine starke und reformierte Kohäsionspolitik mit einer robusten Finanzausstattung wird in der Lage sein, die Herausforderungen der EU zu bewältigen.
(JB) Am 20.02.2024 hat die Europäische Kommission den Bericht der Hochrangigen Gruppe von Expertinnen und Experten zur Zukunft der Kohäsionspolitik veröffentlicht.
In ihrem Vorwort hebt die EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen, Elisa Ferreira, insbesondere die enormen Herausforderungen hervor, vor denen die EU steht. Aufgrund der sich verändernden Natur dieser Herausforderungen müsse sich auch die Kohäsionspolitik weiterentwickeln, ihre Methoden erheblich modernisieren unter gleichzeitiger Wahrung der Schlüsselziele zur Förderung der Konvergenz. Kohäsionspolitik und die Grundsätze der Kohäsionspolitik seien so wichtig wie nie zuvor.
Die Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe werden aus Sicht der EU-Kommission wie folgt zusammengefasst: Die Kohäsionspolitik sollte:
- stärker ortsbezogen sein, mit zukunftsorientierten Investitionen, die auf die einzigartigen Stärken, Herausforderungen und Bedürfnisse der einzelnen Regionen zugeschnitten sind;
- einen ganzheitlichen Ansatz für die Sozialpolitik fördern, indem mehr in die Entwicklung des Humankapitals und die soziale Integration investiert wird, um Ungleichheiten in allen Gebieten zu verhindern und zu verringern;
- lokale Fähigkeiten und Potenziale zur Entwicklung künftiger Möglichkeiten für inklusives und nachhaltiges Wachstum durch Diversifizierung und Zusammenarbeit nutzen;
- bessere nationale und regionale Institutionen schaffen, indem Kapazitätsaufbau und Innovation mit Investitionen in Infrastruktur und produktives Kapital gleichgesetzt werden;
- wirksamere und inklusivere Entwicklungsstrategien durch Anwendung der Grundsätze einer starken Partnerschaft und geteilten Mittelverwaltung entwickeln;
- Regionen zusammenbringen, um globale Chancen zu nutzen und nachhaltigere und widerstandsfähigere Innovationen zu schaffen;
- leistungsorientierter werden, indem dieser Ansatz mit seiner territorialen Dimension kombiniert wird;
- besser in das System der wirtschaftspolitischen Steuerung eingebunden werden;
- ihre Verwaltungsverfahren straffen und effizientere, benutzerfreundlichere Ansätze zur Vereinfachung der Prozesse verfolgen und
- sich weiterhin auf ihre ursprüngliche Aufgabe konzentrieren, die nachhaltige Entwicklung voranzutreiben und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und gleichzeitig Flexibilität bei der Bewältigung dringender Herausforderungen zu wahren.
Der Bericht erwähnt auch die sächsische Lausitz als noch auf Braunkohle basierte Industrieregion, welche vor einem Strukturwandel stehe, vor allem in Bezug auf den Green Deal und die Schaffung nachhaltiger globaler Wertschöpfungsketten.
Weitere für Sachsen wichtige Aspekte im Rahmen der Diskussion zur Zukunft der Kohäsionspolitik sind u. a. die Fortführung der Kohäsionspolitik in allen Regionen, geteilte Mittelverwaltung, eine Mittelerhöhung mindestens um den Inflationsausgleich, eine Fortführung der Einteilung in weniger entwickelte Regionen, Übergangsregionen und stärker entwickelte Regionen auf Basis der derzeit geltenden Schwellenwerte. Hinzu kommen die Anhebung der EU-Kofinanzierungssätze sowohl in den Übergangs- als auch in den stärker entwickelten Regionen sowie die Prüfung neuer Indikatoren für die Gebietskategorisierung, welche die Auswirkungen des demografischen Wandels, des Strukturwandels und von Blockaden bei der Talententwicklung besser abbilden.
Die Vorlage des 9. Kohäsionsberichts der EU-Kommission wird für Anfang März 2024 erwartet.
Nach der Einigung auf dem Sondergipfel am 01.02.2024 konnten nun auch der Rat der EU und Europäisches Parlament am 07.02.2024 eine politische Einigung zur Revision des EU-Budgets 2021 – 2027 verkünden. Damit ist der Weg frei für die Unterstützung der Ukraine im Umfang von 50 Mrd. EUR sowie zusätzliche Finanzmittel u. a. für Migration, Verteidigung und Krisenbewältigung.
(JB) Nachdem eine Einigung auf dem Europäischen Rat am 14./15.12.2023 am Veto Orbans gescheitert war, gab Ungarn seine Blockade dann doch auf dem außerordentlichen Gipfel am 01.02.2024 auf. Neben einem umfangreichen Unterstützungspaket für die Ukraine bis Ende 2027 beinhalteten die Schlussfolgerungen des Gipfels in Bezug auf die Revision des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) auch zusätzliche Mittel für Migration und Grenzschutz, die Plattform »Strategische Technologien für Europa (STEP)« sowie Krisenbewältigung und neue Herausforderungen. Als »Gegenleistung« für Orbans Zustimmung waren die anderen Staats- und Regierungschefs bereit, einmal im Jahr über die Umsetzung des Hilfsprogramms für die Ukraine zu sprechen. Zudem soll es in zwei Jahren die Möglichkeit einer Überarbeitung geben, wenn alle 27 EU-Staaten dies für notwendig erachten.
Unmittelbar im Anschluss begannen die Verhandlungen mit dem EU-Parlament, die am 06. und 07.02.2024 erfolgreich mit einer politischen Einigung abgeschlossen werden konnten. Im Wesentlichen beruht die Einigung auf den Ergebnissen des Sondergipfels vom 01.02.2024 und beinhaltet folgende zusätzliche Finanzmittel:
- 50 Mrd. EUR Ukraine-Fazilität (17 Mrd. Zuschüsse und 33 Mrd. Darlehen)
- 2 Mrd. EUR Migration und Grenzschutz
- 3,1 Mrd. EUR Nachbarschaft und die Welt
- 3,5 Mrd. EUR Krisenbewältigung und Haushaltsreserve
- 1,5 Mrd. EUR Europäischer Verteidigungsfonds
Die für Sachsen wichtigsten kohäsionspolitischen Elemente im Rahmen der Einigung zu STEP stellen sich wie folgt dar:
- 100 Prozent Kofinanzierung und 30 Prozent Vorfinanzierung für STEP-Prioritäten,
- Beschränkung von STEP-Investitionen im EFRE auf 20 Prozent der ursprünglichen Mittelallokation, um den Fokus auf ursprüngliche Prioritäten zu halten,
- Verlängerung der Abschlussfristen der Förderperiode 2014-2020 um 12 Monate sowie 100 Prozent Kofinanzierung für das letzte Geschäftsjahr der Förderperiode 2014 - 2020.
Die beiden Ko-Berichterstatter des Europäischen Parlaments zur MFR-Revision, Jan Olbrycht (EVP/Polen) und Margarida Marques (S&D/Portugal) begrüßten die erzielte Einigung, hoben aber auch hervor, dass sich das EU-Parlament eine ambitioniertere und umfassendere Revision des MFR gewünscht hätte. Dennoch sei mit diesem Paket ein stabiler Haushalt bis Ende 2027 erreicht worden, der die dringend benötigten Mittel zur Unterstützung der Ukraine zur Verfügung stelle und die Fähigkeit der EU stärke, auf die großen Herausforderungen für die EU-Bürgerinnen und -Bürger flexibel und gezielt reagieren zu können.
Die politische Einigung muss noch formell von Rat und EU-Parlament angenommen werden. Die Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments ist für Ende Februar 2024 geplant.
Auch in diesem Jahr ging es in der Vertretung des Freistaates Sachsen bei der Europäischen Union vier Tage lang traditionell erzgebirgisch zu. In der Zeit vom 23.-26.11.2023 folgten insgesamt 6.894 Besucherinnen und Besucher der Einladung und damit ca. 500 Gäste mehr als beim Besucherrekord des vergangenen Jahres.
(JZ) Zum 15. Mal nahmen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter des traditionellen erzgebirgischen Handwerks den weiten Weg auf sich und kamen zum Erzgebirgischen Weihnachtsmarkt inmitten des Brüsseler Europaviertels. Für die musikalische Umrahmung sorgte das Erzgebirgsensemble Aue. Der diesjährige Erzgebirgische Weihnachtsmarkt knüpfte an die Tradition der vergangenen Jahre an, zu der seit 2005 bzw. 2007 auch die Zusammenarbeit mit tschechischen und polnischen Nachbarregionen gehört. So bereicherten auch in diesem Jahr wieder die Regionen Niederschlesien und Liberec den Weihnachtsmarkt mit je einem Stand. Zudem war auch der Lions Club Brüssel Charlemagne erneut mit einem Stand vertreten, dessen Erlöse einem gemeinnützigen Zweck zugeführt werden.
Der Erzgebirgische Weihnachtsmarkt verband erneut das Vertraute und Bewährte, das für viele Menschen im Mittelpunkt der Weihnachtszeit steht. In diesem Jahr gab es neben Tradition auch Neues: Das »Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel« hat eine Aufwertung zur »Vertretung des Freistaates Sachsen bei der Europäischen Union« erfahren, womit der Freistaat die enorme Wichtigkeit Europas für Sachsen und die Bedeutung Sachsens für Europa unterstreicht.
Zudem wurde der neue Leiter der sächsischen Landesvertretung in Brüssel, Herr Jiří Zapletal, der im November 2023 seinen Dienst aufnahm, offiziell vorgestellt.
Mit dem Erzgebirgischen Weihnachtsmarkt trägt die Vertretung des Freistaates Sachsen bei der EU eine große sächsische Tradition in die Hauptstadt Europas. Der Erzgebirgische Weihnachtsmarkt ist längst zu einem Aushängeschild der Landesvertretung geworden. Durch die Einladung weiterer in Brüssel ansässiger Vertreterinnen und Vertreter der europäischen Regionen, u. a. von Okzitanien, Andalusien und Latium, bot der Erzgebirgische Weihnachtsmarkt die Gelegenheit, die Beziehungen zu den europäischen Nachbarn und befreundeten Regionen des Freistaates zu pflegen und zu vertiefen. Aber auch Vertreterinnen und Vertreter der EU-Institutionen, der Unternehmen und Verbände sowie belgische Freundinnen und Freunde des Freistaates Sachsen fanden zahlreich den Weg zum Austausch in vorweihnachtlicher Atmosphäre in die sächsische Landesvertretung.
Europastaatssekretär Mathias Weilandt eröffnete am 22.11.2023 den Weihnachtsmarkt: »Für den friedlichen und respektvollen Dialog engagieren wir uns als sächsische Staatsregierung, und dafür reichen wir alten wie auch neuen Partnerinnen und Partnern in Europa die Hand. In diesem Sinne veranstalten wir diesen Weihnachtsmarkt in guter Tradition gemeinsam mit unseren Partnerregionen Liberec und Niederschlesien. Auch dank unserer Partner können wir hier eine so wunderbare Auswahl an Kunsthandwerk, Leckereien und vielem anderen bereitstellen – so, wie es Tradition für diesen Weihnachtsmarkt ist.۫«
Herr Jiří Zapletal ist neuer Leiter der Vertretung des Freistaates Sachsen bei der Europäischen Union in Brüssel.
Am 07.11.2023 hat Europaministerin Katja Meier den Mitgliedern des sächsischen Kabinetts den neuen Leiter der Vertretung des Freistaates Sachsen bei der Europäischen Union, Herrn Jiří Zapletal, vorgestellt. Herr Zapletal hat die Leitung der Landesvertretung zum 01.11.2023 übernommen.
Anlässlich der Vorstellung sagte Europaministerin Katja Meier: »Mit dem neuen sächsischen »Botschafter« in Brüssel bekommt der Freistaat eine starke Stimme in der europäischen Hauptstadt, um die Interessen Sachsens weiterhin erfolgreich bei der Europäischen Union zu vertreten. Herr Zapletal ist in Brüssel bestens vernetzt und in Sachsen zuhause. Ich freue mich sehr, dass wir ihn als Leiter der Landesvertretung des Freistaates Sachsen bei der EU gewinnen konnten.«
Die offizielle Pressemittelung mit weiteren Informationen entnehmen Sie der Internetseite des Medienservices Sachsen.
Umsetzung der Vereinbarung der sächsischen Koalitionsparteien im Rahmen einer Abendveranstaltung mit dem Titel »Regionen – Brückenbauer in Europa« in Anwesenheit der sächsischen Europaministerin feierlich vollzogen.
(CL) Im Beisein der sächsischen Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung, Katja Meier (Bündnis 90/Die Grünen), und Staatssekretär Mathias Weilandt (Bündnis 90/Die Grünen) wurde am 27.06.2023 die Aufwertung des bisherigen »Sachsen-Verbindungsbüros Brüssel« zur »Vertretung des Freistaates Sachsen bei der Europäischen Union« vollzogen. Unter den rund 80 Gästen waren neben den sächsischen Europaabgeordneten Dr. Peter Jahr (CDU) und Matthias Ecke (SPD) zahlreiche Vertreter/innen europäischer Regionen.
Die Bedeutung der Regionen für die Europäische Union war durchweg Gegenstand der Redebeiträge von Colin Scicluna, Kabinettschef der für Demokratie und Demografie in der Europäischen Kommission zuständigen Vizepräsidentin Dubravka Šuica, Dr. Anna Lührmann (Bündnis 90/Die Grünen), Staatsministerin für Europa im Auswärtigen Amt, deren Beitrag per Videobotschaft übermittelt wurde, sowie von MdB Dr. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Europaausschusses des Deutschen Bundestags. In der sich anschließenden Gesprächsrunde, die durch Karl-Heinz Lambertz (SP – Sozialistische Partei), Mitglied des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und des Europäischen Ausschusses der Regionen, ergänzt und von Sandra Parthie, Leiterin des Brüsseler Büros des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), geleitet wurde, ging es unter anderem um die Bedeutung der Politik der EU und ihre Auswirkungen auf die Regionen, wie beispielsweise die Kohäsionspolitik, von der der Freistaat Sachsen in den vergangenen Jahrzehnten stark profitiert hat.
Die musikalische Umrahmung der Aufwertungsfeier lag in den bewährten Händen des Dresdner Bandoneónspielers Jürgen Karthe, der mit seinem Instrument, dessen Wurzeln bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ins erzgebirgische Carlsfeld zurückreichen, seine Zuhörer/innen in seinen Bann zog.
Ob zu Beginn des sächsischen Engagements in und für Europa als »Sachsen-Büro Brüssel« oder in der Folge als »Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel« oder nunmehr als »Vertretung des Freistaates Sachsen bei der Europäischen Union« – es gibt viel zu tun, denn an Krisen herrscht leider kein Mangel. Sachsen wird auch künftig als europäische Region seine Interessen im Sinne der neuen Bezeichnung »vertreten« und ein verlässlicher Partner bei der künftigen Gestaltung der Europäischen Union sein.
Polen und Ungarn blockieren gemeinsame Gipfelerklärung zu Migration. EU sichert weitere umfassende Unterstützung für die Ukraine zu, bleibt aber bei möglichen Sicherheitsgarantien vage. Der Vorschlag zur Änderung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021 – 2027 wird zur Kenntnis genommen.
(JB) Zwar stand auch dieses Mal wieder der Krieg in der Ukraine im Mittelpunkt des Treffens der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am 29./30.06.2023 in Brüssel. Doch insbesondere der erste Gipfeltag wurde überschattet von einem teils heftigen Streit über die EU-Asylpolitik, als Polen und Ungarn den Text zur Migration in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates blockierten. Da insoweit keine gemeinsamen Schlussfolgerungen möglich waren, gab es eigene Schlussfolgerungen des Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel. Weitere Themen waren die Außenbeziehungen, insbesondere zu China, der östliche Mittelmeerraum, Wirtschaftspolitik sowie Sicherheit und Verteidigung.
Der Gipfel begann mit einem Gedankenaustausch mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg über die Zusammenarbeit zwischen EU und NATO und über die euro-atlantische Sicherheit.
Hinsichtlich der weiteren Unterstützung der Ukraine ersuchte der Europäische Rat die Europäische Investitionsbank erneut, in enger Zusammenarbeit mit der EU-Kommission und den internationalen Finanzierungsinstitutionen ihre Unterstützung für den dringendsten Infrastrukturbedarf der Ukraine zu verstärken. Die EU sei auch weiterhin entschlossen, in Abstimmung mit internationalen Partnern Unterstützung für Instandsetzung, Erholung und Wiederaufbau in der Ukraine zu leisten. Bezüglich weiterer Sicherheitsgarantien, wie vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj gefordert, blieb der verabschiedete Text eher vage.
Im Bereich Wirtschaftspolitik führte der Europäische Rat einen Gedankenaustausch über die aktuelle wirtschaftliche Lage und zog eine Bilanz der Fortschritte bei der Verbesserung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität Europas. Im Mittelpunkt standen dabei insbesondere die Vertiefung des Binnenmarkts, die Wahrung seiner Integrität, seiner vier Freiheiten und seiner Offenheit, die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen sowie die Schaffung eines wachstumsfördernden Rechtsrahmens, durch den der Verwaltungsaufwand verringert wird, bei gleichzeitiger Stärkung der Industriepolitik und Verringerung strategischer Abhängigkeiten, insbesondere in den sensibelsten Bereichen.
Die Staats- und Regierungschefs ersuchten den Rat, die Arbeit zur Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung (Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts) voranzubringen, damit die legislative Arbeit noch 2023 abgeschlossen werden könne. Die vorgeschlagene Revision des Mehrjährigen Finanzrahmens wurde lediglich zur Kenntnis genommen.
Mit Blick auf den Wettbewerber China will die Europäische Union u. a. kritische Abhängigkeiten und Schwachstellen – auch in ihren Lieferketten – weiter verringern und, soweit erforderlich und angemessen, Risikominderung sowie Diversifizierung voranbringen. Die EU beabsichtige nicht, sich abzukoppeln oder nach innen zu kehren.
Der Europäische Rat führte außerdem eine strategische Aussprache über die Beziehungen der EU zu den Partnern in der südlichen Nachbarschaft. In diesem Zusammenhang wurde die Arbeit an einem für beide Seiten vorteilhaften umfassenden Partnerschaftspaket mit Tunesien, das u. a. auf den Säulen wirtschaftliche Entwicklung, Investitionen und Handel, grüne Energiewende sowie Migration beruht, begrüßt.
Abschließend stellte der Europäische Rat fest, dass er sich der Herausforderungen bewusst sei, die sich aus sektorübergreifenden und grenzüberschreitenden Krisen sowie Naturkatastrophen und von Menschen verursachten Katastrophen ergäben, die oftmals durch den Klimawandel und die sich verändernde Sicherheitslage in Europa und in der Welt verschärft würden. Es sei daher besonders wichtig, die Resilienz in strategischen Bereichen durch einen gefahrenübergreifenden Ansatz für die Vorsorge und Reaktion zu stärken und dabei einschlägige Mechanismen, einschließlich des Katastrophenschutzverfahrens der Union, zu nutzen.
Der nächste Europäische Rat unter spanischer EU-Ratspräsidentschaft (01.07. – 31.12.2023) ist für den 26./27.10.2023 geplant.
Nach einem Gedankenaustausch mit UN-Generalsekretär, Antonio Guterres, zu Beginn des Gipfels am 23.03.2023 standen die Ukraine sowie Wirtschaft und Energie ganz oben auf der Tagesordnung. Das Spektrum beim Euro-Gipfel am 24.03.2023 reichte von der aktuellen Wirtschafts- und Finanzlage bis hin zur Finanzarchitektur der Wirtschafts- und Währungsunion.
(JB) Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine betonten die Staats- und Regierungschefs in ihren Schlussfolgerungen vom 23.03.2023, dass die EU nach wie vor entschlossen ist, den kollektiven Druck auf Russland aufrechtzuerhalten und zu erhöhen, einschließlich möglicher weiterer restriktiver Maßnahmen, und mit Partnern weiter an der Ölpreisobergrenze zu arbeiten. Insbesondere stehe die EU fest und uneingeschränkt an der Seite der Ukraine und werde der Ukraine und ihrer Bevölkerung weiterhin starke politische, wirtschaftliche, militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe leisten, solange dies nötig sei.
Im Bereich Wettbewerbsfähigkeit, Binnenmarkt und Wirtschaft sollen vor dem Hintergrund immer komplexerer Herausforderungen (Klimawandel, geopolitische Lage, Energiepreise, wiederholte Lieferkettenengpässe, demografische Entwicklungen, Arbeitskräftemangel, Wachstums- und Innovationslücke) ein wachstumsförderndes Regelungsumfeld geschaffen und der Zugang zu Finanzmitteln durch eine Vertiefung der Kapitalmarktunion, die Beseitigung der verbleibenden Hindernisse für grenzüberschreitende Finanzierungen, eine Erleichterung des Zugangs zu und der Mobilisierung von Privatkapital für Investitionen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen verbessert werden. Zudem sollen damit Probleme wie Fachkräftemangel und der Klimawandel weniger Auswirkungen auf Unternehmen haben.
Darüber hinaus drängen die Staats- und Regierungschefs darauf, dass dies sozial gerecht geschehe. In der Gipfelerklärung heißt es dazu: »Die Europäische Union wird ihre Wettbewerbsfähigkeit garantieren, indem sie ihre Widerstandsfähigkeit und Produktivität stärkt, die Finanzierung erleichtert, erschwingliche Energie anstrebt, ihre strategischen Abhängigkeiten verringert, in die Kompetenzen der Zukunft investiert und ihre wirtschaftliche, industrielle und technologische Basis für den grünen und den digitalen Wandel rüstet, wobei niemand zurückgelassen wird.« Weitere Schwerpunkte in diesem Kapitel waren Forschung und Innovation, Digitalisierung, Kompetenzen und Kreislauforientierung.
Da die Staats- und Regierungschefs weiterhin das Risiko von Energieengpässen sehen, werden die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten aufgefordert, Vorsorgemaßnahmen und Notfallplanungen im Hinblick auf die nächste Einspeichersaison und Heizperiode zu treffen. Der Euro-Gipfel im sog. inklusiven Format (27 Mitgliedstaaten) erörterte die aktuelle wirtschaftliche und finanzielle Lage und forderte die Eurogruppe auf, die wirtschaftlichen Entwicklungen weiterhin eng zu beobachten. Zur Unterstützung der Stabilität des Euro und der Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft in der Eurozone hoben die Staats- und Regierungschefs in ihrer Erklärung die Bedeutung eines Rahmens zur Steuerung der Wirtschaft als zentrale Säule der Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion hervor.
Im Zusammenhang mit der Stärkung der europäischen Finanzarchitektur wurden die Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion und die Vollendung der Bankenunion unterstrichen. Den europäischen Bankensektor bezeichneten die Staats- und Regierungschefs als widerstandsfähig mit einer starken Kapital- und Liquiditätsausstattung.
Mit seinem Besuch am 06.03.2023 in Brüssel setzte das sächsische Kabinett ein wichtiges politisches Signal: Sachsen will die Zusammenarbeit der europäischen Regionen in der EU stärken. Der Freistaat rief gemeinsam mit zwölf weiteren Regionen eine Allianz der europäischen Halbleiter-Regionen ins Leben. Bei seiner internen Sitzung tauschte sich das Kabinett unter anderem mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, aus.
(SSi) Der Besuch des Kabinetts stand im Zeichen des europäischen Chip-Gesetzes und der europäischen Zusammenarbeit. Bei der Abendveranstaltung zur Gründung der Halbleiter-Allianz, bei der Binnenmarktkommissar Thierry Breton den Schlüsselvortrag gehalten hat, betonten Ministerpräsident Michael Kretschmer und Wirtschaftsminister Martin Dulig die zentrale Rolle der Halbleiterindustrie sowohl für den Freistaat als auch für die Souveränität Europas. Auch die sächsische Europaministerin Katja Meier verwies in ihrem Grußwort darauf, dass von der Zusammenarbeit der Regionen ganz Europa etwas habe. Die Halbleiter-Regionen wollen künftig vor allem in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Fachkräfteausbildung und Entwicklung von Clustern zusammenarbeiten.
Bei der internen Sitzung des Kabinetts im Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel tauschten sich die Regierungsmitglieder mit der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie zum Thema Fachkräftemangel mit dem EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit, aus. Weitere Gesprächspartner/innen waren die sächsischen Europaabgeordneten Anna Cavazzini, Matthias Ecke und Peter Jahr sowie Stefanie Hiesinger aus dem Kabinett von Exekutiv-Vizepräsident Frans Timmermans, der Gesandte der Bundesrepublik Deutschland bei der Nato, Dr. Robert Dieter, und der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der EU, Botschafter Michael Clauß.
Die Migrationsrouten nach Europa sind hochfrequentiert, die Zahl der Asylanträge ist sprunghaft gestiegen. Trotzdem wird eine Einigung für den EU-Migrations- und Asylpakt nicht vor Mitte 2024 erwartet. Auf einem Sondergipfel in Brüssel wurde die Asyl- und Migrationspolitik statt dessen einseitig verschärft.
(AV) Emotional und ganz außerordentlich sei der Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungsoberhäupter am 09.02.2023 gewesen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz auf einer Pressekonferenz. Emotionale Themen waren u. a. das verheerende Erdbeben in der Türkei und Syrien, der Krieg in der Ukraine und die persönliche Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an der Sitzung in Brüssel.
Ursprünglich war das Treffen als Sondergipfel zum Thema Migration geplant. Belgien und die Niederlande hatten die Hoffnung, endlich auch Fortschritte unter den Mitgliedstaaten bei der gerechten Verteilung der Geflüchteten innerhalb der EU zu erreichen, wenn sich das Thema präsent auf der Tagesordnung befindet. Auch Italien forderte mehr Solidarität bei der Aufnahme ankommender Migrant/innen ein. Österreichs Kanzler Karl Nehammer wurde im Vorfeld des Gipfels sehr deutlich, drängte auf konkrete Beschlüsse und drohte, die gemeinsamen Schlussfolgerungen zu blockieren, sollten keine Fortschritte bei der Eindämmung illegaler Migration erzielt werden. Acht weitere Mitgliedstaaten (Dänemark, Litauen, Lettland, Estland, die Slowakei, Griechenland, Malta und Österreich) schickten drei Tage vor dem Gipfel an den Präsidenten des Europäischen Rates und die Kommissionspräsidentin einen Brief. Darin forderten sie u. a. strengere und effektivere Grenzkontrollen, den Einsatz des Visahebels sowie eine stärkere Rückführungspolitik und Abkommen mit Drittländern. Der Hauptgrund für den Sondergipfel ist die gestiegene Migration. Auch in Sachsen stoßen viele Landkreise und Kommunen an ihre Kapazitätsgrenzen. Daten der EU-Grenz- und Küstenwache Frontex zufolge wurden im Jahr 2022 rund 330.000 irreguläre Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen festgestellt. Dies sei ein Anstieg um 64 Prozent gegenüber dem Vorjahr und die höchste Zahl seit 2016. Am höchsten frequentiert seien dabei nach wie vor die Westbalkan- und die Mittelmeerroute.
Politisch umstritten war beim Gipfel vor allem die Frage, ob künftig auch Zäune an den Außengrenzen aus dem EU-Haushalt finanziert werden. Länder wie Österreich, Ungarn oder Griechenland fordern dies und auch der EVP-Fraktionsführer Manfred Weber im Europäischen Parlament reiht sich ein. Die Europäische Kommission, Deutschland und Luxemburg sind dagegen. In den Schlussfolgerungen wird die EU-Finanzierung von Zäunen nicht genannt. Zu finden ist dort, dass EU-Mittel unter anderem für »Infrastruktur« an den Grenzen eingesetzt werden sollten. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz ging auf seiner Pressekonferenz nach dem EU-Gipfel und einer sehr langen Verhandlungsnacht nicht weiter auf das Thema ein. Er fokussierte sich auf die Einigung des Rates zu einem verstärkten Grenzschutz, vereinfachten Rückführungen und einem intensiveren Kampf gegen Menschenschmuggel. »Wir sind in der Lage, uns hier zusammenzufinden und gemeinsame Positionen zu entwickeln, die uns für die Zukunft helfen«, so Scholz. Druck auf unkooperative Drittstaaten will die EU etwa über die Vergabe von Visa, die Handelspolitik und die Entwicklungshilfe ausüben. Zugleich sollen Möglichkeiten für legale Migration geschaffen werden. Die Zusammenarbeit sei wichtig, um die Personen in ihre Herkunftsländer zurückzuführen, die kein Bleiberecht in der EU haben. Gleichzeitig ermöglicht die Zusammenarbeit die legale Migration von Fachkräften, die in der EU benötigt werden. »Denn tatsächlich ist es ja so, dass fast alle Länder Europas großen Bedarf an Fachkräften haben und deshalb die legalen Wege der Migration zugleich notwendig sind, damit wir in Zukunft genügend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben, die Rentenbeiträge zahlen und dazu beitragen, dass unsere Wirtschaft am Laufen gehalten wird«, so der Bundeskanzler.
In den Schlussfolgerungen des Rates wird die EU-Kommission konkret aufgefordert, unverzüglich umfangreiche Finanzmittel und Ressourcen der EU zu mobilisieren, um die Mitgliedstaaten beim Ausbau von Grenzschutzkapazitäten und -infrastruktur, Mitteln für die Überwachung, einschließlich der Luftüberwachung, und Ausrüstung zu unterstützen. Außerdem sollen die Instrumentalisierung von Migrantinnen und Migranten sowie Menschenhandel und Schleuserkriminalität stärker bekämpft werden. EU-Kommission und Rat der EU wurden deutlich aufgefordert, die Arbeit an den einschlägigen Instrumenten voranzubringen. Schließlich sollen die Datenerfassung zu Aufnahmekapazitäten und Migrationsbewegungen verbessert sowie die Arbeit am Migrations- und Asylpaket, am überarbeiteten Schengener Grenzkodex und an der Rückführungsrichtlinie fortgesetzt werden.
Zwar wurden auf dem Rat einige Verschärfungen in der Migrationspolitik vorgenommen, jedoch steht die eigentliche Hauptaufgabe noch aus: eine Einigung auf den Migrations- und Asylpakt. Sie ist wesentlich, um einen verlässlichen Rahmen für den Umgang mit Migrationsfragen zu schaffen und die Einhaltung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen. Mit einer Verabschiedung des Pakts ist vermutlich nicht vor 2024 zu rechnen. Die aktuellen Herausforderungen zum Thema Migration werden also auf alle Fälle bis zum nächsten Gipfeltreffen am 23. und 24.03.2023 weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
Der 14. Erzgebirgische Weihnachtsmarkt öffnete am 17.11.2022 seine Tore im Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel. Nach zweijähriger Corona-Pause war der Andrang so groß wie nie zuvor. Mehr als 6.000 Besucherinnen und Besucher ließen sich an vier Tagen von der vorweihnachtlichen Stimmung verzaubern.
(SSi) Der Erzgebirgische Weihnachtsmarkt ist das Markenzeichen des Freistaats Sachsen und seines Verbindungsbüros in Brüssel. An zwölf weihnachtlich geschmückten Ständen präsentierten sich u. a. Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker, eine »Stollen«-Bäckerei sowie Fleischerei aus dem Erzgebirge mitten im Herzen Europas.
Europaministerin Katja Meier eröffnete den Weihnachtsmarkt gemeinsam mit der stellvertenden Hejtmanka der tschechischen Region Liberec, Květa Vinklátová, und dem Vizemarschall von Niederschlesien, Krzysztof Maj. Beide Nachbarregionen Sachsens richteten den Weihnachtsmarkt mit aus und beteiligten sich auch jeweils mit einem eigenen Stand. Neben Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des Bundestags und der Landtage ließen sich auch die Europa-Staatsministerin des Auswärtigen Amtes, Dr. Anna Lührmann, sowie der deutsche Botschafter beim Königreich Belgien, Martin Kotthaus, von der erzgebirgischen Weihnachtsstimmung beeindrucken.
»Mit dem Weihnachtsmarkt trägt das Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel eine große sächsische Tradition in die Hauptstadt Europas«, betonte Europaministerin Meier in ihrer Eröffnungsrede. »Besonders schön ist es, dass wir nicht im Bewährten verharren, sondern mit der Zeit gehen: der Weihnachtsmarkt ist in diesem Jahr noch ökologischer und nachhaltiger ausgerichtet als in der Vergangenheit.«
Der Weihnachtsmarkt knüpfte an die klassische Weihnachtsmarkttradition des SVB an, präsentierte sich jedoch nachhaltiger. Erstmals gab es auch Stollen, Glühwein und weitere kulinarische Spezialitäten mit Zutaten aus biologischem Anbau. Neben traditionellem Handwerk wurden moderne Neuinterpretationen klassischer Weihnachts- und Keramikkunst angeboten. Tradition und Nachhaltigkeit gingen so Hand in Hand.
(JB) Am 11.10.2022 zeigten Klára Gibišová, Leon Koval und Denis Stefanov im Rahmen eines Konzertabends mit Werken verschiedener Komponisten aus unterschiedlichen Jahrhunderten ihr besonderes Talent einem breitem Brüsseler-Publikum. Staatssekretär Mathias Weilandt, in Vertretung für Staatsministerin Katja Meier, und die stellvertretende Leiterin des tschechischen Zentrums in Brüssel, Eva Petráková, führten in den Abend mit kurzen Grußworten ein. Am Ende begeisterten die jungen Virtuosen das Publikum so sehr, dass es langen stehenden Applaus gab.
Klára Gibišová, Leon Koval und Denis Stefanov sind drei der Preisträgerinnen und Preisträger des Klavierwettbewerbs »Prague Junior Note 2022« und wurden am 12.06.2022 für ihr besonderes Können mit dem Jugendmusikpreis der sächsischen Europaministerin, Katja Meier, ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung verbunden war eine Reise in die europäische Hauptstadt sowie ein Konzertabend. Neben einem Rundgang durch das Brüsseler Stadtzentrum hatten die Jugendlichen auch die Gelegenheit zu einem Besuch des Europäischen Parlaments, wo sie von dem tschechischen Europaabgeordneten Marcel Kolaja empfangen wurden. Die Brüssel-Reise wurde zum Abschluss noch durch einen Besuch des Atomiums »abgerundet«.
(JB/TS) Am 10./11.10.2022 hielt der Ausschuss für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung des Sächsischen Landtags unter der Leitung seines Vorsitzenden Marko Schiemann eine auswärtige Sitzung in Brüssel ab.
Auf dem Programm standen neben zahlreichen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der EU-Institutionen (u. a. zum Krieg in der Ukraine, zu institutionellen Fragen, Energiepolitik, Migration, zur Lage der Wirtschafts- und Währungsunion sowie zur Unterstützung der EU beim Strukturwandel in Kohleregionen) auch eine Begegnung mit den sächsischen Europaabgeordneten im Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel. Für die Staatsregierung begleitete Staatssekretär Mathias Weilandt vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung den Ausschuss.
Unter der Überschrift »Eine entschlossen und geeint vorgehende Union« präsentierte die Europäische Kommission am 18.10.2022 ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2023. Neben der Bewältigung der gravierenden Auswirkungen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine stehen u. a. der digitale und grüne Wandel, die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der EU, Sicherheit und Gesundheit im Vordergrund.
(JB) Am 18.10.2022 stellte die Europäische Kommission auf der Plenartagung des Europäischen Parlaments in Straßburg ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2023 vor. Es ist das vorletzte Arbeitsprogramm im Mandat der EU-Kommission, das im Oktober 2024 endet.
Das Arbeitsprogramm umfasst 43 neue politische Initiativen zu allen sechs übergreifenden Zielen der politischen Leitlinien von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und baut auf ihrer Rede zur Lage der Union von 2022 auf. Zudem fließen einige der Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas in verschiedene Maßnahmen ein.
In Umsetzung des Europäischen Grünen Deals will die EU-Kommission Anfang 2023 unter anderem eine umfassende Reform des EU-Strommarkts vorschlagen, die auch die Entkopplung der Strom- und Gaspreise einschließen soll. Darüber hinaus soll die Gründung einer neuen Europäischen Wasserstoffbank mit einem Investitionsvolumen von 3 Mrd. EUR in Maßnahmen zur Ankurbelung eines Wasserstoffmarkts in der EU vorgeschlagen werden.
Zur Bewältigung aktueller und künftiger Risiken in Form strategischer Abhängigkeiten will die EU-Kommission Maßnahmen zur Sicherstellung eines angemessenen und diversifizierten Zugangs zu kritischen Rohstoffen vorschlagen, die für die digitale und die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit Europas benötigt werden. Neben einer Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung soll auch eine Halbzeitüberprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 durchgeführt werden, um den EU-Haushalt angesichts der derzeitigen Herausforderungen weiter zu stärken. Dazu soll auch ein Vorschlag für einen zweiten Korb neuer Eigenmittel vorgelegt werden, der auf dem Vorschlag für ein einheitliches Regelwerk für die Unternehmensbesteuerung in Europa aufbauen wird.
Im Hinblick auf einen widerstandsfähigen und sicheren Schengen-Raum ohne Grenzen sollen Rechtsvorschriften über die Digitalisierung von EU-Reisedokumenten und die Erleichterung von Reisen vorgeschlagen werden.
Basierend auf den Grundsätzen für eine bessere Rechtsetzung will die EU-Kommission weiterhin Möglichkeiten für Vereinfachungen und für eine Verringerung des Verwaltungsaufwands ermitteln sowie die Nachhaltigkeit fördern.
2023 wird das Europäische Jahr der Kompetenzen sein mit Vorschlägen zur Anerkennung der Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen, um hochqualifizierte Fachkräfte für Branchen zu gewinnen. Zur Verteidigung der Demokratie will die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket vorlegen, das auch eine Initiative zum Schutz des demokratischen Raums der EU vor externen Interessen umfassen wird.
Hintergrund
Die EU-Kommission nimmt jedes Jahr ein Arbeitsprogramm an, in dem sie darlegt, welche Maßnahmen sie im kommenden Jahr in Angriff nehmen möchte. Darin aufgeführt sind neue Initiativen der EU-Kommission, nicht verabschiedete Vorschläge, die zurückgezogen und bestehende EU-Vorschriften, die überarbeitet werden sollen. Nicht erfasst sind hingegen die laufenden Aufgaben der EU-Kommission, sprich ihre Rolle als Hüterin der Verträge mittels Durchsetzung bestehenden EU-Rechts oder die Wahrnehmung ihr obliegender jährlich wiederkehrender Maßnahmen.
Die Rede zur Lage der Union ist mittlerweile eine gute Tradition, die den aktuellen Stand und die Zukunftsvision der Europäischen Union widerspiegelt. Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen sprach am 14.09.2022 in Straßburg in ihrer rund einstündigen Rede über den Ukraine-Krieg, die stark gestiegenen Energiepreise, die Rechtsstaatlichkeit in der EU, wirtschaftliches Wachstum und die Zusammenarbeit mit gleich gesinnten Partnern in der Welt.
(MS/CL/AV) Die Präsidentin, gekleidet in den gelb-blauen ukrainischen Nationalfarben, wandte sich zu Beginn ihrer Rede an das Volk der Ukraine, dem sie die unerschütterliche Solidarität der Europäischen Union zusicherte. Bisher habe die EU mehr als 19 Mrd. EUR an finanzieller Hilfe bereitgestellt. Die militärische Unterstützung sei dabei noch nicht eingerechnet. Als Ehrengast war die Ehefrau des ukrainischen Präsidenten, Olena Selenska, in Straßburg eingeladen. Von der Leyen kündigte 100 Mio. EUR für den Wiederaufbau von Schulen in der Ukraine an, wo mehr als 70 Bildungseinrichtungen von der russischen Armee zerstört worden sind. In Bezug auf Russland bekräftigte von der Leyen, dass die EU-Sanktionen bestehen bleiben. Sie nannte sie die härtesten Sanktionen, die je in der Welt verhängt wurden und die Wirkung gezeigt hätten.
Im Energiebereich kündigte sie Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs und einen Strompreisdeckel an. Noch am selben Tag wurde eine entsprechende Verordnung vorgestellt, die den Mitgliedstaaten Einnahmen von mehr als 140 Mrd. EUR einbringen soll. Außerdem versprach sie, die EU-Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt zu überarbeiten. Die derzeitige Ausgestaltung des Elektrizitätsmarktes wird den Interessen der Verbraucher/innen nicht länger gerecht. Die Bürger/innen sollten die Vorteile der kostengünstigen erneuerbaren Energien nutzen können. Deshalb soll der Strom- vom Gaspreis entkoppelt und der Elektrizitätsmarkt einer tiefen und umfassenden Reform unterzogen werden. Ende 2022 soll ein entsprechender Entwurf vorliegen. Die Kommissionspräsidentin machte außerdem einen Vorschlag zur Einrichtung einer EU-Wasserstoffbank, die dafür sorgen wird, dass die EU Wasserstoff ankaufen kann. So wird die EU in der Lage sein, 3 Mrd. EUR in den Aufbau des künftigen Marktes für Wasserstoff zu investieren.
Frau von der Leyen lobte den zur Bewältigung der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie geschaffenen Aufbauplan »NextGenerationEU«. Sie und unterstrich, dass dieser Aufbauplan Zukunftsinvestitionen in Windkraftanlagen und Solarparks, Hochgeschwindigkeitszüge und energiesparende Sanierungen ermögliche, die wiederum zur Sicherung von Beschäftigung und Wachstum beitrügen. Man müsse allerdings auch eine »neue Realität der höheren Staatsverschuldung« anerkennen.
Des Weiteren forderte sie fiskalpolitische Regelungen, die strategische Investitionen ermöglichten und gleichzeitig die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gewährleisteten und kündigte für Oktober 2022 neue Vorschläge für die wirtschaftspolitische Steuerung an. Ziel sei es, den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität beim Schuldenabbau zu geben und gleichzeitig ihre Rechenschaftspflichten zu erweitern, wenn es um das Erreichen der im Rahmen der Steuerung vereinbarten Ziele gehe.
Frau von der Leyen befasste sich angesichts der durch die russische Invasion in der Ukraine ausgelösten Krise intensiv mit Wirtschaftsthemen. Energieunternehmen mit Liquiditätsproblemen soll durch eine für Oktober 2022 angekündigte Änderung des zu Beginn der Corona-Pandemie geschaffenen Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen künftig durch staatliche Garantien besser geholfen werden können. Des Weiteren kündigte die Kommissionspräsidentin ein KMU-Entlastungspaket an, das unter anderem einen Vorschlag für einheitliche Steuervorschriften für Geschäftstätigkeiten in Europa – BEFIT – enthalten wird. Zudem soll die Zahlungsverzugsrichtlinie überarbeitet werden, um die Zahl von Insolvenzen in Folge nicht fristgerecht beglichener Rechnungen zu verringern.
Ein weiteres wichtiges Thema war der Zugang zu Rohstoffen sowie deren Verarbeitung. Um die Abhängigkeit von Ländern außerhalb der EU zu verringern, sollen die geplanten Freihandelsabkommen mit Chile, Mexiko und Neuseeland ratifiziert sowie entsprechende Abkommen mit Australien und Indien weiter vorangebracht werden. Sie kündigte die Vorlage eines europäischen Gesetzes zu kritischen Rohstoffen an.
In Bezug auf die Aus- und Weiterbildung schlug Frau von der Leyen vor, gezielter Fachkräfte von außerhalb der EU anzuwerben sowie deren in der Heimat erworbenen Qualifikationen in der EU schneller anzuerkennen. Außerdem regte sie an, 2023 zum Europäischen Jahr der Aus- und Weiterbildung zu erklären.
Ursula von der Leyen kündigte ein »Paket zur Verteidigung der Demokratie« an, das den Schutz der Demokratie vor verdeckter ausländischer Einflussnahme zum Ziel hat. Die EU werde nicht zulassen, dass die trojanischen Pferde einer Autokratie unsere Demokratien von innen heraus angreifen. Es ist die Pflicht der EU-Kommission, die Rechtsstaatlichkeit zu schützen. Deswegen sei die Unabhängigkeit der Justiz in allen Mitgliedstaaten unabdingbar. Die EU-Kommission werde die europäischen Steuermittel durch den Konditionalitätsmechanismus schützen. Die rechtlichen Mittel zur Korruptionsbekämpfung müssten geschärft werden.
Gegen Ende ihrer Rede ging die Präsidentin der EU-Kommission auf die laufenden Arbeiten am Migrations- und Asylpaket ein. Sie lobte zwar, dass sich die Mitgliedstaaten auf eine Roadmap für das weitere Vorgehen geeinigt hätten, mahnte aber wie jedes Jahr in den Reden zur »Lage der Europäischen Union« ein schnelleres, gemeinsames Vorangehen in den Migrations- und Asylfragen an. Die EU müsse flexibler reagieren können und ein schnell einsetzbares Instrumentarium für alle Flüchtlinge haben, unabhängig aus welchem Krisengebiet die Menschen fliehen. Außerdem streifte sie das Thema, wie die Europäische Union sich zukünftig besser aufstellen wolle, um in Krisensituationen, die durch den Klimawandel zukünftig öfter verursacht werden, schneller reagieren zu können. Sie verwies besonders auf die in diesem Sommer durch Trockenheit verursachten Waldbrände in Frankreich und Deutschland. Bei Waldbränden in Sachsen wurde auch mit Hilfe anderer EU-Länder gelöscht. Ursula von der Leyen verkündete in ihrer Rede, dass die EU die Brandbekämpfungskapazitäten im nächsten Jahr verdoppeln wird. Die EU will ihre Flotte um zehn leichte Löschflugzeuge und drei zusätzliche Hubschrauber erweitern. Für von der Leyen sei dies gelebte europäische Solidarität.
Die EU braucht einen institutionellen Wandel. Deswegen schlug die Kommissionspräsidentin vor, dass jetzt der Moment für einen Europäischen Konvent gekommen sei, um die Verträge zu reformieren, auf denen die EU basiert. Sie sprach von »Solidarität zwischen den Generationen«, die in den Verträgen verankert werden sollten. Allerdings nannte sie keine konkreten Änderungen. Dieser Vorschlag beruht auf den Ergebnissen der Konferenz über die Zukunft Europas.
Auf dem Europäischen Rat am 23./24.06.2022 wurde der Ukraine und der Republik Moldau einstimmig der Status als EU-Beitrittskandidaten zuerkannt. Ohne Ergebnis blieb das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs/innen mit den Ländern des Westbalkans. Weiter Uneinigkeit besteht in der Frage der Reaktion auf steigende Energiepreise und mögliche Lieferengpässe.
(JB) Gleich zu Beginn des Gipfels beschlossen die Staats- und Regierungschefs/innen einstimmig, der Ukraine und der Republik Moldau den Status eines Bewerberlands zuzuerkennen. Georgien soll diesen Status erst bekommen, wenn die in der Stellungnahme der Europäischen Kommission zum Beitrittsgesuch Georgiens genannten Prioritäten angegangen wurden.
Ziemlich enttäuscht waren die seit langem auf einen Beitritt hoffenden Westbalkanstaaten, nachdem das Treffen mit den Staats- und Regierungschefs/innen aus Serbien, Montenegro, Albanien, Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina sowie dem Kosovo im Vorfeld des Gipfels ohne greifbare Ergebnisse blieb. Hier verwies der Europäische Rat erneut auf die Bedeutung von Reformen, insbesondere im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und speziell im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit und Arbeitsweise der Justiz sowie der Korruptionsbekämpfung. Ferner rief er die Partner auf, die Rechte und die Gleichbehandlung von Personen, die Minderheiten angehören, zu garantieren.
In diesem Zusammenhang erörterte der Europäische Rat auch Überlegungen zur Gründung einer europäischen politischen Gemeinschaft, um den europäischen Ländern auf dem gesamten Kontinent eine Plattform für politische Koordinierung bieten zu können. Sie könnte sich an alle europäischen Länder richten, zu denen die EU enge Beziehungen unterhält. Ein solcher Rahmen solle aber nicht die bestehenden Politiken und Instrumente der EU, insbesondere die Erweiterung, ersetzen.
Hinsichtlich der »Konferenz zur Zukunft Europas« nahm der Europäische Rat von den Vorschlägen im Bericht über die Ergebnisse der Konferenz Kenntnis und forderte, dass die EU-Organe im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten und im Einklang mit den Verträgen für wirksame Folgemaßnahmen zu diesem Bericht sorgen müssen.
Im Gegensatz zu den vorangegangenen Tagesordnungspunkten herrschte beim Thema »Energie« weitaus weniger Einigkeit. Zwar hatten sich die Mitgliedstaaten bereits im Frühjahr 2022 auf mehr gemeinsames Handeln verständigt, doch einige von ihnen forderten noch schärfere Maßnahmen, wie z. B. eine Preisobergrenze auf EU-Ebene, um so die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten. Andere lehnten einen solchen Eingriff in den Markt ab. Kritisch gesehen wurden auch die Geldzahlungen an die Bevölkerung, da dadurch nur die Inflation verstärkt würde.
Vor diesem Hintergrund ersuchte der Europäische Rat die EU-Kommission, gemeinsam mit den internationalen Partnern Möglichkeiten zur Eindämmung der steigenden Energiepreise zu prüfen, einschließlich der Durchführbarkeit der Einführung befristeter Einfuhrpreisobergrenzen im gegebenen Fall. Insbesondere soll die EU-Kommission vordringlich ihre Anstrengungen zur Sicherung der Energieversorgung zu erschwinglichen Preisen fortsetzen und gemeinsam mit dem Rat der EU alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um eine engere Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten im Energiebereich zu gewährleisten.
Unter der Rubrik »Außenbeziehungen« äußerten die Staats- und Regierungschefs/innen ihre tiefe Besorgnis über die jüngsten wiederholten Handlungen und Erklärungen der Türkei und unterstrichen, dass die Türkei die Souveränität sowie territoriale Unversehrtheit aller Mitgliedstaaten der EU achten müsse. Im Hinblick aus Belarus bekräftigte der Europäische Rat das demokratische Recht der belarussischen Bevölkerung auf freie und faire Neuwahlen und forderte die belarussische Regierung auf, die Menschenrechte, die Demokratie sowie die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, die Repression zu beenden und politische Gefangene freizulassen.
Im Rahmen der Schlussfolgerungen zu den »wirtschaftlichen Aspekten« billigte der Europäische Rat den Vorschlag der EU-Kommission, dass Kroatien zum 01.01.2023 den Euro einführt.
Der im Anschluss stattfindende Euro-Gipfel im inklusiven Format der EU-27 hob die Bedeutung eines starken europäischen Finanzsystems hervor, um nachhaltige Investitionen anzuziehen, Innovation zu fördern, Widerstandsfähigkeit zu stärken und ein robustes Wachstum zu untermauern. Auf dem Weg zur Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion begrüßte der Europäische Rat die Erklärung der Euro-Gruppe zur Zukunft der Bankenunion, in der vorgesehen ist, dass sich die Arbeiten an der Bankenunion zuallererst auf die Stärkung des gemeinsamen Rahmens für das Bankenkrisenmanagement und die nationalen Einlagensicherungssysteme konzentrieren sollten. Die EU-Kommission wurde ersucht, Legislativvorschläge vorzulegen, um die Stärkung des Rahmens vor dem Ende des derzeitigen institutionellen Zyklus (2024) abzuschließen Außerdem riefen die Staats- und Regierungschefs/innen dazu auf, die Bemühungen um die Vertiefung der Kapitalmarktunion zu verstärken.
Die Europaministerinnen und -minister diskutierten über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Asyl- und Migrationspolitik der EU, Demokratie in Europa sowie die Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas.
(JB) Am 13./14.06.2022 trafen sich die Europaministerinnen und Europaminister der deutschen Länder zu ihrer 89. Konferenz (EMK) in Brüssel. Unter dem sächsischen Vorsitz von Staatsministerin Katja Meier wurden Beschlüsse zur europäischen Asyl- und Migrationspolitik sowie zur Konferenz zur Zukunft Europas gefasst.
Ein Schwerpunktthema der Konferenz war der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Dazu diskutierten die Ministerinnen und Minister mit dem Botschafter der Mission der Ukraine bei der Europäischen Union, Vsevolod Chentsov, und dem Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Stefano Sannino. Sachsens Europaministerin und EMK-Vorsitzende Katja Meier machte nochmals deutlich, dass die europäische Souveränität dringender denn je ausgebaut und weiterentwickelt werden müsse. Dabei gehe es vor allem darum, die große Abhängigkeit von Rohstoffen im Energiesektor deutlich und dauerhaft zu verringern.
Nach einem umfassenden Austausch mit Beate Gminder, Stellvertretende Generaldirektorin für Migration und Inneres der Europäischen Kommission, und Catherine Woollard, Generalsekretärin des Europäischen Rates für Geflüchtete, fasste die EMK einen Beschluss zu den aktuellen Herausforderungen der europäischen Asyl- und Migrationspolitik. Darin unterstrichen die Ministerinnen und Minister die Notwendigkeit, das derzeitige Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zu reformieren. Für Staatsministerin Katja Meier stand in diesem Zusammenhang im Vordergrund, dass Schutzsuchende die ihnen nach der Genfer Flüchtlingskonvention zustehenden Rechte in der gesamten EU auch wirklich wahrnehmen können, und Rechtsstaatlichkeit auch an den Außengrenzen der EU zur Geltung komme.
Ein weiterer Beschluss befasste sich mit dem Abschlussbericht der Konferenz zur Zukunft Europas. Darin wurde u. a. die besondere Bedeutung der Vorschläge der europäischen Bürgerinnen und Bürger z. B. in Bezug auf die Weiterentwicklung des Klimaschutzes, der Energieunabhängigkeit, der Rechtsstaatlichkeit oder der medizinischen Versorgung in der Europäischen Union hervorgehoben.
Vor der Beschlussfassung hatten sich die Mitglieder der EMK mit dem Abgeordneten des Europäischen Parlaments und Ko-Vorsitzendem des Exekutivausschusses der Konferenz zur Zukunft Europas, Guy Verhofstadt (Renew/Belgien), über die Konferenz und ihre Ergebnisse ausgetauscht.
Mit Gergely Karácsony, Oberbürgermeister der Stadt Budapest, und Prof. Armin von Bogdandy, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht diskutierten die Ministerinnen und Minister über die Verfasstheit der Demokratie in Europa.
Zu Gast auf der Konferenz waren außerdem Botschafter Michael Clauß, Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union, sowie die Generaldirektorin für Kommunikation der Europäischen Kommission, Pia Ahrenkilde Hansen.
Die Konferenz war die dritte und letzte Sitzung unter sächsischem Vorsitz. Ab 01.07.2022 wird Sachsen-Anhalt den Vorsitz in der EMK übernehmen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs machen den Weg frei für das sechste Sanktionspaket gegen Russland und beschließen eine neue Makrofinanzhilfe von bis zu 9 Mrd. EUR. Weitere Schwerpunkte sind Ernährungssicherheit, Sicherheit und Verteidigung sowie Energie.
(JB) Am 30./31.05.2022 berieten die EU-Staats- und Regierungschef/innen auf einem außerordentlichen Europäischen Rat über weitere Schritte und Maßnahmen infolge des Krieges in der Ukraine und verständigten sich auf einen umfangreichen Katalog von Schlussfolgerungen.
Der Europäische Rat verurteilte entschieden den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und forderte Russland nachdrücklich auf, seine willkürlichen Angriffe auf die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur unverzüglich einzustellen und alle seine Streitkräfte sowie seine gesamte Militärausrüstung aus dem gesamten Hoheitsgebiet der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen unverzüglich und bedingungslos abzuziehen.
Im Mittelpunkt des Gipfels stand der Ausstieg aus russischen Öllieferungen im Rahmen des sechsten Sanktionspakets. Erst nach langen und schwierigen Verhandlungen konnte ein Kompromiss für einen Importstopp von Rohöl und Erdölerzeugnissen bis Ende des Jahres erzielt werden, jedoch mit der vorübergehenden Ausnahme für Rohöl, das über Pipelines geliefert wird. Trotz klarer Forderungen von einigen Mitgliedstaaten zeichnet sich beim Gas keine Aussicht auf eine rasche Einigung ab. Auch Deutschland ist gegen einen schnellen Ausstieg aus russischen Gas-Importen.
Um auf den Bedarf an humanitären Maßnahmen, Liquidität und Wiederaufbau zu reagieren, ist die EU bereit, die Ukraine weiterhin zu unterstützen. Insbesondere soll eine neue außerordentliche Makrofinanzhilfe von bis zu 9 Mrd. EUR gewährt werden, um z. B. laufende Kosten für Rentenzahlungen und den Betrieb von Krankenhäusern sowie Schulen abzudecken.
Mit Blick auf eine mögliche EU-Mitgliedschaft nahm der Europäische Rat die Vorbereitung der Stellungnahmen der Europäischen Kommission zu den Anträgen der Ukraine, der Republik Moldau sowie Georgiens zur Kenntnis und will sich auf seiner Tagung im Juni erneut damit befassen.
Am zweiten Gipfeltag erörterten die Staats- und Regierungschef/innen die Themen »Energie«, »Ernährungssicherheit« sowie »Sicherheit und Verteidigung«. Hierzu ersuchte der Europäische Rat die Mitgliedstaaten, die Arbeit an den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Solidaritätskorridoren zu beschleunigen und Lebensmittelausfuhren aus der Ukraine über verschiedene Landrouten und Häfen der EU zu erleichtern. Außerdem soll die EU-Kommission die Möglichkeit einer Mobilisierung von Reserven aus dem Europäischen Entwicklungsfonds zur Unterstützung der am stärksten von Lebensmittelunsicherheit betroffenen Partnerländer ausloten.
Der Europäische Rat unterstrich auch die Bedeutung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für den Beitrag der EU zur Ernährungssicherheit und forderte die rasche Annahme der GAP-Strategiepläne sowie als kurzfristige Priorität die weitere Diversifizierung der Versorgungsquellen und -wege.
Mit Blick auf eine Stärkung der europäischen Verteidigungskraft soll die Entwicklung einer verteidigungsstrategischen Programmplanungs-, Beschaffungs- und Koordinierungsfähigkeit der EU in Komplementarität zur NATO geprüft werden.
Außerdem forderte der Europäische Rat die Sicherung der Energieversorgung zu erschwinglichen Preisen, den schnelleren Einsatz erneuerbarer Energie, nach Möglichkeit die weitere Verbesserung der Energieeffizienz, die Förderung von Energieeinsparungen und die Fertigstellung sowie Verbesserung des Verbunds europäischer Gas- und Stromnetze durch Investitionen in die Infrastruktur für bestehende und neue Projekte.
Im Rahmen der Aussprache zu Beginn des Sondergipfels betonte die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, die Unabhängigkeit von russischer Energie und forderte eine Beschleunigung des »grünen Wandels«. Dem Paket »Fit for 55« und den dafür notwendigen Investitionen komme besondere Bedeutung zu. Metsola rief auch zu einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf und befürwortete einen Kandidatenstatus mit einer realistischen Perspektive für die Ukraine.
Der nächste Europäische Rat wird am 23./24.06.2022 in Brüssel stattfinden.
Im Mittelpunkt der auswärtigen Kabinettssitzung am 10.05.2022 im Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel standen neben der Diskussion aktueller Themen der EU vor allem die europapolitischen Schwerpunkte der sächsischen Staatsregierung sowie die Aufwertung des Verbindungsbüros zur Landesvertretung.
(JB) Eigentlich war die Sitzung schon früher geplant gewesen, aber erst die jüngste, positive Entwicklung der Corona-Lage machte es möglich, dass das sächsische Kabinett am 10.05.2022 im Sachsen-Verbindungsbüro Brüssel tagen konnte.
Ganz oben auf der Tagesordnung stand der Beschluss des Kabinetts zu den europapolitischen Prioritäten der Sächsischen Staatsregierung in der 7. Wahlperiode. Vor dem Hintergrund der aktuellen historischen Umbruchsituation betreffen die Schwerpunkte folgende Politikbereiche:
- Europäischer Grüner Deal,
- Resilienz, wirtschaftliche Prosperität und Innovation,
- Grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit,
- Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Kultur und Teilhabe,
- Asyl und Migration
Das Kabinett ebnete außerdem den Weg zu der im Koalitionsvertrag vereinbarten Aufwertung des Sachsen-Verbindungsbüros Brüssel zur Landesvertretung, die im Herbst 2022 feierlich vollzogen werden soll. Die künftige Landesvertretung wird bei der Umsetzung der europapolitischen Schwerpunkte eine wichtige Rolle einnehmen und die Sichtbarkeit Sachsens auf dem »EU-Parkett« erhöhen. Weitere Punkte auf der Tagesordnung waren der »European Chips Act«, die Energiesouveränität (Solarwirtschaft), die EU-Dimension der Strukturentwicklung, die Konferenz zur Zukunft Europas und Chemnitz, die Europäische Kulturhauptstadt 2025.
Abgerundet wurde die Kabinettssitzung mit einem Gespräch der Kabinettsmitglieder mit den sächsischen Europa-Abgeordneten Constanze Krehl und Dr. Peter Jahr. Zudem konnten die Mitglieder der Staatsregierung Renate Nikolay, Kabinettschefin der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für Werte und Transparenz, Věra Jourová, zu einem Meinungsaustausch zum Thema »Konferenz zur Zukunft Europas« im SVB begrüßen. Am Nachmittag folgte ein ausführliches Gespräch mit dem Leiter der europäischen Denkfabrik Bruegel, Dr. Guntram Wolff, sowie der Generaldirektorin für Handel und früheren stellvertretenden Brexit-Chefunterhändlerin, Sabine Weyand, über aktuelle Entwicklungen aufgrund des Krieges in der Ukraine sowohl in europäischer als auch geopolitischer Hinsicht.
Die Abendveranstaltung in den Königlichen Museen für Kunst und Geschichte Brüssel mit hochrangigen Gästen aus den EU-Institutionen, Wirtschaft und Politik widmete sich dem »European Chips Act« in seiner ganzen Breite. Hierbei bekräftigten die Staatsregierung und der stellvertretende Generaldirektor der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der Europäischen Kommission, Thomas Skordas, die besondere Bedeutung der Halbleitertechnologie für Europa und Deutschland. Gerade für Sachsen sind der »European Chips Act« und dieses Gesetzgebungsvorhaben eine Riesenchance, seine Position als führender europäischer Mikroelektronikstandort noch mehr zu festigen.
Musikalisch umrahmt wurde der Abend mit klangvollen Bandoneon-Melodien aus Chemnitz, der Kulturhauptstadt Europas 2025.
Nach NATO- und G7-Gipfel folgte am 24./25.03.2022 der Frühjahrsgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Der Europäische Rat tauschte mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Gedanken über die transatlantische Zusammenarbeit im Lichte der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine aus und einigte sich auf wichtige Weichenstellungen, insbesondere im Bereich von Verteidigung und Energie.
(JB) Noch vor Beginn des eigentlichen Gipfeltreffens wählten die EU-Staats- und Regierungschefs ihren derzeitigen Präsidenten, Charles Michel, für weitere zweieinhalb Jahre (01.06.2022 – 30.11.2024) zum Präsidenten des Europäischen Rates.
Eigentlich ist der Frühjahrsgipfel »traditionell« Wirtschaftsthemen gewidmet, doch vor dem Hintergrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine stand die russische Aggression mit all ihren Auswirkungen und den Reaktionen der EU ganz oben auf der Tagesordnung des Treffens.
In seinen Schlussfolgerungen ging der Europäische Rat auf den Antrag der Ukraine zu einem EU-Beitritt nur insoweit ein, als die Europäische Kommission ersucht wurde, im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der Verträge eine Stellungnahme vorzulegen. Gleichzeitig wurde aber bekräftigt, weiterhin koordinierte politische, finanzielle, materielle und humanitäre Hilfe zu leisten. Außerdem wurde die EU-Kommission beauftragt, zusätzliche Vorschläge auszuarbeiten, um die Unterstützung durch die EU in dieser Hinsicht zu verstärken. Die Mitgliedstaaten wurden aufgerufen, mit Unterstützung der EU-Kommission Notfallpläne zu entwickeln, um auch den mittel- und langfristigen Bedarf zu decken.
Mit Blick auf den Wiederaufbau der Ukraine kam der Europäische Rat überein, einen Solidaritäts-Treuhandfonds für die Ukraine zu entwickeln, und ersuchte seine internationalen Partner, sich daran zu beteiligen.
Um einiges kontroverser gestaltete sich die Diskussion über das weitere Vorgehen der EU in Bezug auf die künftige Energieversorgung und die Entwicklung der Energiepreise. Erst nach neun Stunden Verhandlungen konnten sich die Staats- und Regierungschefs auf die freiwillige gemeinsame Beschaffung von Gas, Flüssigerdgas und Wasserstoff verständigen. Zudem soll das gemeinsame politische und marktbezogene Gewicht der EU und ihrer Mitgliedstaaten bestmöglich genutzt werden, um in den Verhandlungen die Preise zu dämpfen. Die gemeinsame Beschaffungsplattform soll auch den Ländern des Westbalkans und den drei assoziierten östlichen Partnern offenstehen. Befürwortet wurde auch der Vorschlag der EU-Kommission über verpflichtende Gasreserven, um einen Vorrat für den kommenden Winter anzulegen.
Auf die unter anderem von Spanien, Italien und Portugal geforderte Deckelung der Energiepreise konnte man sich nicht einigen. Beide Länder konnten jedoch nationale Sonderregelungen bei Preisobergrenzen für sich aushandeln. Insbesondere Deutschland und die Niederlande lehnten solche Markteingriffe ab.
Aufgrund der neuen Sicherheitslage in Europa, die eine erhebliche Veränderung seines strategischen Umfelds bedeutet, billigte der Europäische Rat den sogenannten »Strategischen Kompass«, in dem die strategischen Leitlinien für das nächste Jahrzehnt festgelegt und Maßnahmen, Mittel und Wege sowie klare Ziele beschrieben werden, damit
- die EU befähigt wird, angesichts von Krisen schneller und entschlossener zu handeln;
- die EU-Interessen gesichert und die EU-Bürgerinnen und Bürger geschützt werden, indem die Fähigkeit der EU, Bedrohungen zu antizipieren und zu mindern, gestärkt wird;
- Anreize für Investitionen und Innovation geboten werden, um gemeinsam die erforderlichen Fähigkeiten und Technologien zu entwickeln;
- unsere Zusammenarbeit mit Partnern zur Erreichung gemeinsamer Ziele vertieft wird.
Im Rahmen der Erörterung der wirtschaftlichen Aspekte waren sich die Staats- und Regierungschefs einig, den Aufbau einer offeneren und robusteren wirtschaftlichen Basis voranzubringen, insbesondere durch die Verringerung unserer strategischen Abhängigkeiten in den sensibelsten Bereichen wie kritische Rohstoffe, Halbleiter, Gesundheit, Digitales und Nahrungsmittel und durch eine robuste Handelspolitik sowie durch die Förderung von Investitionen.
Von besonderer Bedeutung war für die Staats- und Regierungschefs die Gewährleistung weltweiter Ernährungssicherheit und der Erschwinglichkeit von Nahrungsmitteln in Abstimmung mit internationalen Partnern, insbesondere durch Unterstützung der Ernährungssicherheit und der Landwirtschaft in der Ukraine sowie in den schwächsten und am stärksten betroffenen Drittländern.
Beim Thema »Außenbeziehungen« stand das bevorstehende Gipfeltreffen EU-China am 01.04.2022 mit einem Gedankenaustausch über die Beziehungen zu China im neuen globalen Kontext und unter besonderer Berücksichtigung der militärischen Aggression Russlands im Vordergrund. In Bezug auf die anhaltende politische Krise in Bosnien und Herzegowina bekräftigte der Europäische Rat sein Eintreten für eine europäische Perspektive Bosnien und Herzegowinas sowie des Westbalkans.
Da der nächste reguläre Gipfel erst Ende Juni 2022 stattfinden wird, wurde angesichts der dramatischen Lage in der Ukraine und deren Auswirkungen ein weiteres außerordentliches Treffen (Termin noch nicht bekannt) angekündigt.
Aufgrund der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine standen insbesondere die Reaktionen der EU, die EU-Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung und die Stärkung der europäischen Souveränität im Vordergrund der Beratungen der Staats- und Regierungschef/innen auf dem Informellen Gipfel am 10./11.03.2022 in Versailles.
(JB) Eigentlich hatte die französische EU-Ratspräsident geplant, auf dem Treffen in Versailles das neue europäische Modell für Wachstum, Investitionen und Beschäftigung zu diskutieren. Doch der Krieg in der Ukraine änderte die Tagesordnung komplett und dominierte beide Sitzungstage.
Nach mehr als achtstündigen Beratungen über die Reaktion der EU auf die russische Aggression verständigten sich die Staats- und Regierungschef/innen auf eine gemeinsame Erklärung, in der u. a. gefordert wird, dass Russland seine Militäraktion einstellt und alle Streitkräfte sowie militärische Ausrüstung unverzüglich und bedingungslos aus dem gesamten Hoheitsgebiet der Ukraine abzieht und die territoriale Unversehrtheit, Souveränität sowie Unabhängigkeit der Ukraine uneingeschränkt achtet. Zudem erklärten sie, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten weiterhin koordinierte politische, finanzielle, materielle und humanitäre Hilfe sowie Unterstützung für den Wiederaufbau einer demokratischen Ukraine leisten, sowie allen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine vorübergehenden Schutz in der EU gewähren werden.
Am zweiten Gipfeltag standen die Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten, die Verringerung der Energieabhängigkeiten sowie der Aufbau einer robusteren wirtschaftlichen Basis im Mittelpunkt der Beratungen, deren Ergebnisse in der Erklärung von Versailles zusammengefasst wurden.
Hinsichtlich der Verteidigungsfähigkeit sollen die Verteidigungsausgaben deutlich erhöht und weitere Anreize für gemeinschaftliche Investitionen der Mitgliedstaaten in gemeinsame Projekte und in die gemeinsame Beschaffung von Verteidigungsfähigkeiten geschaffen werden. Dabei geht es auch um Investitionen in die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um das gesamte Spektrum der Missionen und Operationen durchzuführen, unter anderem durch Investitionen in strategische Enabler wie Cybersicherheit und weltraumgestützte Konnektivitätssysteme, die Förderung von Synergien zwischen Zivil-, Verteidigungs- und Weltraumforschung sowie -innovation und von kritischen sowie neuen Technologien und Innovationen für Sicherheit und Verteidigung.
Im Bereich der Energieversorgung soll u. a. die Abhängigkeit der EU von der Einfuhr von Gas, Öl und Kohle aus Russland so bald wie möglich beendet werden, indem insbesondere die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen unter Berücksichtigung nationaler Gegebenheiten und der Entscheidungen der Mitgliedstaaten über ihren Energiemix schneller verringert werden. Versorgung und Versorgungswege sollen durch die Nutzung von LNG (liquified natural gas) und die Entwicklung von Biogas diversifiziert und der Wasserstoffmarkt für Europa weiterentwickelt werden. Grundsätzlich sollen auch die strategischen Abhängigkeiten der EU verringert werden.
Mit Blick auf kritische Rohstoffe sollen die Versorgung der EU durch strategische Partnerschaften gesichert sowie Liefer- und Wertschöpfungsketten diversifiziert werden. Insbesondere will die EU den technologischen Vorsprung bewahren und die Produktionskapazitäten in der EU mit dem Ziel weiterentwickeln, mittels des europäischen Chip-Gesetzes bis 2030 einen Weltmarktanteil von 20 Prozent zu sichern. Darüber hinaus will die EU in digitale Technologien investieren, unter anderem in künstliche Intelligenz, Cloud-Computing und die Einführung von 5G innerhalb und außerhalb Europas.
Während die Mitgliedstaaten bei den vorgenannten Maßnahmen Einigkeit und Geschlossenheit demonstrierten, zeigten sich in der Frage eines Importstopps von Energielieferungen aus Russland und des EU-Beitritts der Ukraine teils gravierende Unterschiede in den Positionen. So lautete die Gipfelerklärung in Bezug auf den Beitrittsantrag: »Die Ukraine gehört zu unserer europäischen Familie«. Konkrete Zusagen für einen schnellen EU-Beitritt wurden nicht gemacht. Im Gegensatz zu Litauen und Polen sprachen sich vor allem Deutschland, Ungarn und Österreich gegen einen sofortigen Importstopp aus.
Die nächste reguläre Tagung des Europäischen Rates wird am 24./25.03.2022 stattfinden. Der sogenannte »Frühjahrs-Gipfel« ist traditionell Wirtschafts- und Finanzthemen gewidmet, wird aber sicher erneut von den aktuellen Entwicklungen des Krieges in der Ukraine überschattet werden.
Vor dem Hintergrund der anstehenden Präsidentschaftswahlen hat Frankreich am 01.01.2022 für die nächsten sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Die Liste der Vorhaben ist lang und reicht von einem neuen europäischen Wachstumsmodell über die Wahrung der Werte der EU bis zur Reform des Schengen-Raums und der strategischen Stärkung der EU.
(JB) Nach Slowenien wird nun Frankreich für die Zeit vom 01.01.2022 bis 30.06.2022 versuchen, die Geschicke der EU zu lenken, und hat sich in seinem Programm unter der Überschrift »Aufschwung, Stärke, Zugehörigkeit« neben der weiteren Bewältigung der Corona-Pandemie und deren Auswirkungen folgende drei Ziele gesetzt:
- Ein souveräneres Europa: durch die Stärkung des Schengen-Raums, den Schutz seiner Grenzen, die Steuerung der Migration und eine verbesserte Asylpolitik, unter Wahrung seiner Werte und seiner internationalen Verpflichtungen; durch ein stärkeres und handlungsfähiges Europa in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung; durch seine Aktion für den Wohlstand und die Stabilität seiner Nachbarschaft, insbesondere durch das Engagement im Westlichen Balkan und die Neugestaltung seiner Beziehungen zu Afrika; durch seinen Beitrag zur Bewältigung der globalen Herausforderungen.
- Ein neues europäisches Wachstumsmodell: um Europa zu einem bedeutenden Kontinent für Produktion, Schaffung von Arbeitsplätzen, Innovation und technologische Spitzenleistungen zu machen; das wirtschaftliche Entwicklung mit klimapolitischen Ambitionen vereinbart; das Innovation und Wachstum der europäischen Akteure im digitalen Bereich unterstützt und gleichzeitig eigene Regeln für die digitale Welt aufstellt; das Arbeitnehmern hochwertige, qualifizierte und besser bezahlte Arbeitsplätze bietet.
- Ein menschlicheres Europa: das den Anliegen seiner Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas Gehör schenkt; das die Rechtsstaatlichkeit verteidigt und seinen Werten treu bleibt; das stolz auf seine Kultur ist, auf Wissenschaft und Wissen vertraut, entschlossen ist, Diskriminierung zu bekämpfen, und für die Zukunft seiner Jugend eintritt.
Die Prioritäten der französischen EU-Ratspräsidentschaft folgen in wesentlichen Punkten der Sorbonne-Rede von Emmanuel Macron vom 26.09.2017 mit einer neuen Vision für Europa. Die Herausforderungen in den nächsten sechs Monaten sind groß und Frankreich wird all sein diplomatisches Geschick beweisen müssen, um bei so schwierigen Gesetzespaketen, wie »Fit for 55« mit all seinen Einzelrechtsakten und unterschiedlichen Problemlagen, der Überarbeitung der wirtschaftspolitischen Steuerung, der Reform des Schengen-Raums, der digitalen Transformation oder der Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips substantielle Fortschritte zu erzielen. Daneben wird die Festigung der europäischen Demokratie eine weitere Priorität sein.
Mit Blick auf die Bedeutung der EU-Außenbeziehungen wird zum einen Afrika durch ein Gipfeltreffen der Europäischen und der Afrikanischen Union am 17./18.02.2022 ein besonderer Stellenwert eingeräumt, zum anderen durch ein hochrangiges Treffen von Vertretern/innen der Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission und der Partnerländer aus dem indopazifischen Raum am 22.02.2022.
Für den 10./11.03.2022 ist ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs/innen anberaumt, auf dessen Tagesordnung neben der Außenpolitik auch die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes stehen dürfte. Die turnusmäßigen Treffen des Europäischen Rates werden am 24./25.03.2022 und 23./24.06.2022 in Brüssel stattfinden.
Frankreich hat den Vorsitz im Rat der EU bereits zum 13. Mal inne und bildet zusammen mit der Tschechischen Republik (2. Halbjahr 2022) und Schweden (1. Halbjahr 2023) die sogenannte Trio-Präsidentschaft.
Die Tagung der EU-Staats- und Regierungschefs am 16.12.2021 in Brüssel zog sich zwar wieder bis in die tiefe Nacht, die weiteren Schritte für ein gemeinsames und entschiedenes Handeln in wichtigen Fragen (z. B. Corona, Energie) blieben am Ende aber eher vage oder wurden auf Appelle reduziert.
(JB) Aufgrund der sich erneut verschärfenden epidemiologischen Lage in der EU stand die Covid-19-Pandemie auch mit Blick auf die neue besorgniserregende Variante »Omikron« ganz oben auf der Tagesordnung des Gipfels. In seinen Schlussfolgerungen bekräftigte der Europäische Rat unter anderem, dass Impfungen – einschließlich der dringend erforderlichen Auffrischung – für die Bekämpfung der Pandemie unerlässlich seien, und betonte in diesem Zusammenhang, dass es nach wie vor entscheidend darauf ankomme, Impfskepsis zu überwinden, auch durch die Bekämpfung von Desinformation.
Zudem waren sich die EU-Spitzen einig, dass die Umsetzung der EU-Strategie für Covid-19-Therapeutika, einschließlich der gemeinsamen Beschaffung, vorangebracht werden sollte. Besonders bekräftigt wurde, dass etwaige Beschränkungen auf objektiven Kriterien beruhen und nicht das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen oder die Freizügigkeit zwischen den EU-Ländern oder Reisen in die EU unverhältnismäßig behindern sollten. Der Europäische Rat betonte auch, wie wichtig ein koordinierter Ansatz in der Frage der Gültigkeit des digitalen COVID-Zertifikats der EU sei.
Besonders hart war das Ringen um eine gemeinsame Linie in Bezug auf den Anstieg der Energiepreise. Trotz mehrstündiger Diskussion konnte man sich nur auf die allgemeine Formel einigen, dass der Europäische Rat die Lage weiterhin aufmerksam verfolgen und dieses Thema auf einer künftigen Tagung erneut aufgreifen werde.
Angesichts der weltweiten wachsenden Instabilität, des zunehmenden strategischen Wettbewerbs und komplexer Sicherheitsbedrohungen befürworteten die EU-Spitzen einhellig, dass die EU mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit und Verteidigung übernehmen, eine strategische Vorgehensweise verfolgen und ihre Fähigkeit zum autonomen Handeln steigern werde.
Beim Thema »Migration« forderten die Staats- und Regierungschefs die Europäische Kommission und den Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, zusammen mit den Mitgliedstaaten für Folgendes zu sorgen:
- Umsetzung der jüngsten Aktionspläne für Herkunfts- und Transitländer ohne weitere Verzögerungen,
- effektive Rückführungen aus der EU in die Herkunftsländer, vollständige Umsetzung bestehender Rückübernahmeabkommen und -vereinbarungen sowie Abschluss neuer Rückübernahmeabkommen und -vereinbarungen.
Der Europäische Rat verurteilte auf das Schärfste die Instrumentalisierung von Migranten und Flüchtlingen durch das belarussische Regime und die dadurch ausgelöste humanitäre Krise. In diesem Zusammenhang betonten die EU-Spitzen, wie wichtig es sei,
- die Außengrenzen der EU wirksam zu schützen, auch durch eine Stärkung des Rechtsrahmens der EU;
- Schleusung und Menschenhandel zu bekämpfen;
- unverzüglich restriktive Maßnahmen im Anschluss an die Annahme des fünften Sanktionspakets anzuwenden;
- den ungehinderten Zugang für internationale Organisationen in Belarus sicherzustellen und die humanitäre Unterstützung zu verstärken;
- die Rückkehr von Migranten aus Belarus zu unterstützen.
Vor dem Hintergrund der angespannten Lage an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine, betonte der Europäische Rat, dass Russland dringend eine Deeskalation der Spannungen herbeiführen müsse, und bekräftigte gleichzeitig seine uneingeschränkte Unterstützung für die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine. Jede weitere militärische Aggression gegen die Ukraine werde massive Konsequenzen und Kosten nach sich ziehen, einschließlich mit Partnern abgestimmter restriktiver Maßnahmen. Insbesondere Deutschland und Frankreich wollen weiter auf die Diplomatie setzen und das »Normandie-Format« (Kontaktgruppe bestehend aus Russland, Deutschland, Frankreich und Ukraine) für die Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine wiederbeleben.
In der Erklärung des Euro-Gipfels (Treffen im inklusiven Format – EU27) wurde u. a. betont, dass die Vollendung der Bankenunion und eine vertiefte, integrierte und gut funktionierende Kapitalmarktunion eine Schlüsselrolle spielen, um ein stabiles Finanzsystem zu gewährleisten, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu fördern und die für den grünen und den digitalen Wandel erforderliche Finanzierung zu steuern.
Die Euro-Gruppe – ebenfalls im inklusiven Format – wurde daher ersucht, auf Konsensbasis einen mehrstufigen und an Fristen geknüpften Arbeitsplan für alle noch ausstehenden Komponenten auf dem Weg zur Vollendung der Bankenunion auszuarbeiten. Außerdem sollen die Fortschritte bei der Vertiefung der Kapitalmarktunion beschleunigt werden.
Alljährlich im Herbst stellt die EU-Kommission ihr Arbeitsprogramm für das kommende Jahr vor. Das am 19.10.2021 veröffentlichte Programm steht unter den Vorzeichen der Bewältigung der COVID-19-Pandemie sowie der Auswirkungen der Klima- und Umweltkrise. Gleichzeitig wird dies mit dem Blick in die Zukunft verknüpft, der mit besonderer Aufmerksamkeit für die Jugend, für Digitalisierung und wirtschaftlichen Aufschwung, Rechtstaatlichkeit sowie Demokratie verbunden ist.
(HJG) Die EU-Kommission hat in ihrem Arbeitsprogramm für das Jahr 2022 neue Initiativen angekündigt, mit denen sie auf die verschiedenen Herausforderungen reagieren will. Es enthält 42 neue Gesetzgebungsinitiativen zu allen sechs übergreifenden Zielen der politischen Leitlinien, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union vor kurzem vorgestellt hat. Die Herausforderungen, vor denen die Europäische Union steht, sind vielfältig und betreffen in besonderer Weise die folgenden Fragen: Wie kann der Schutz des Klimas verbessert werden? Wie wird der europäische Grüne Deal weiter ausgestaltet? Wie können Potenziale der Digitalisierung besser genutzt werden? Wie geht Europa mit hybriden Bedrohungen um, mit denen es konfrontiert ist? Wie kann Europa seine Werte innerhalb und außerhalb Europas verteidigen?
Als eine der Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie möchte die EU-Kommission der jungen Generation besondere Aufmerksamkeit widmen. Sie schlägt daher vor, das Jahr 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend zu erklären. Damit will sie im Verbund mit dem EU-Parlament, den Mitgliedstaaten, den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, Interessenträgern und jungen Menschen die junge Generation würdigen und unterstützen, um das europäische Einigungswerk auf Grundlage der Konferenz zur Zukunft Europas voranzubringen und neu zu beleben.
Der Schwerpunkt des Arbeitsprogramms liegt in der weiteren Umsetzung der sechs übergreifenden Ziele: Europäischer Grüner Deal, fittes Europa für das digitale Zeitalter, eine Wirtschaft im Dienste des Menschen, ein stärkeres Europa in der Welt sowie Europäische Lebensweise und Demokratie in Europa. Neben den gezielten Maßnahmen zur weiteren Verwirklichung der Ziele, die die EU-Kommission zu Beginn ihres Mandats festgelegt hat, und zur weiteren Steuerung der Union in Richtung einer nachhaltigen Erholung verfolgt die EU-Kommission auch das Ziel einer besseren Qualität der Rechtsetzung sowie einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT). Dieser Ansatz soll dazu beitragen, dass Vorschriften zielgerichtet und leicht zu befolgen sind, ohne eine unnötige Regulierungslast zu verursachen.
Außerdem will sich die EU-Kommission mit dem vorliegenden Arbeitsprogramm an den »One-in-one-out«-Grundsatz halten, d. h. dass bei der Einführung neuer Belastungen systematisch versucht wird, die durch bestehende Rechtsvorschriften verursachten Belastungen zu verringern. Hinzu kommt, dass voraussichtliche Kosten für die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften transparent, quantifiziert und systematisch in Folgenabschätzungen dargelegt werden sollen, soweit dies machbar und verhältnismäßig ist. Dabei spielen künftig territoriale Folgenabschätzungen und Prüfungen der Auswirkungen auf den ländlichen Raum eine verstärkte Rolle.
In diesem Kontext ist auch eine Initiative zur Verhinderung der Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte und zur Abfederung der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Bevölkerungsrückgang von Bedeutung.
Die EU-Kommission hat deutlich gemacht, weiterhin mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten und sie dabei zu unterstützen, die Umsetzung der neuen und bestehenden EU-Vorschriften sicherzustellen. Sie wird aber auch nicht zögern, das EU-Recht bei Bedarf im Wege von Vertragsverletzungsverfahren durchzusetzen.
In dem Programm werden die wichtigsten Legislativvorschläge aufgeführt, denen im Gesetzgebungsverfahren Vorrang eingeräumt werden soll. Eine Darstellung ausgewählter Initiativen ist in den thematischen Beiträgen dieses Newsletters zu finden.
Das Plenum des Europäischen Parlaments war so gut besucht wie seit langem nicht mehr, als die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, am Donnerstag ihre Rede zur Lage der Union hielt. Nur die Masken erinnerten noch an Corona. Von der Leyen betonte die Erfolge Europas bei der Pandemiebekämpfung und kündigte eine Reihe von neuen Initiativen an. Es war keine mitreißende Rede, aber eine Rede mit Überraschungen.
(SSi, CL, MS, KS) »Wir haben vieles richtig gemacht«, sagte von der Leyen und verwies darauf, dass die EU ihr Impfziel – 70 Prozent Geimpfte bis Ende des Sommers – erreicht habe, auch wenn es noch beunruhigende Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten gebe. Entgegen aller anfänglichen Kritik nehme die EU damit weltweit eine Vorreiterrolle ein und stehe heute besser da als die USA oder das Vereinigte Königreich.
Den Schwerpunkt der Pandemiebekämpfung will die EU-Kommission nun auf ärmere Länder außerhalb der EU legen, wo ein dramatischer Impfstoffmangel herrscht. Die Lieferung von Impfstoffen an Drittstaaten, bei dem die EU schon heute weltweit Spitzenreiter ist, soll weiter aufgestockt sowie eine Mrd. EUR für den Aufbau von mRNA-Produktionskapazitäten in Afrika bereitgestellt werden. Weitere 50 Mrd. EUR sollen in die geplante EU-Behörde HERA, der Europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen und weitere Maßnahmen zur Vorsorge von Gesundheitsrisiken fließen.
Von der Leyen kündigte in ihrer Rede eine Reihe von teilweise überraschenden neuen Initiativen an. Dazu gehört ein europäisches Chip-Gesetz. Damit will die Kommissionspräsidentin dem Chipmangel begegnen und Europa weniger abhängig von den Märkten in Asien oder Nordamerika machen. Ziel des Gesetzes ist die Bündelung der Forschungs-, Entwicklungs- und Testkapazitäten sowie die Koordinierung der von EU und Mitgliedstaaten geplanten Investitionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Für Sachsen als größten europäischen Mikroelektronikstandort dürften sich durch die EU-Bemühungen neue Innovations- und Fertigungsmöglichkeiten eröffnen, die den Standort Dresden/Sachsen noch wettbewerbsfähiger machen können.
Weitere von der Kommissionspräsidentin angekündigte Initiativen sind ein neues EU-Austauschprogramm für arbeitslose Jugendliche, ein EU-weites Verbot für Produkte aus Zwangsarbeit, ein Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, ein Medienfreiheitsgesetz, ein Gesetz zur Cyber-Widerstandsfähigkeit und eine globale Konnektivitätsstrategie, etwa um künftig in Afrika produzierten grünen Wasserstoff nach Europa zu transportieren.
Beim Klimawandel betonte von der Leyen die besondere Pflicht der EU, den Klimawandel so weit wie möglich abzumildern. Sie will mit zusätzlich vier Mrd. EUR an Entwicklungsländer den Beitrag der EU zum globalen Klimaschutz verdoppeln. Die Fraktion der Grünen forderte, dass die EU auch innerhalb Europas mehr für den Klimaschutz tun müsse und übte scharfe Kritik an der EU-Agrarpolitik. Die S&D pocht auf eine Stärkung des sozialen Klimafonds.
Vage blieb von der Leyen bei neuen Eigenmitteln der EU – »auch daran arbeiten wir« – und bei der wirtschaftspolitischen Steuerung ab 2023, etwa über das europäische Semester. Dazu sollen in Kürze Beratungen aufgenommen werden.
Mit Spannung waren von der Leyens Einlassung zur Rechtsstaatlichkeit erwartet worden. Sie fand starke Worte und betonte, dass die EU-Kommission entschlossen sei, die europäischen Werte zu verteidigen. »Und wir werden in dieser Entschlossenheit niemals nachlassen.« Von der Leyen verwies auf den jüngst von der EU-Kommission gestellten Zwangsgeldantrag gegen Polen und betonte die Bindungswirkung der Urteile des Europäischen Gerichtshofes. Sie kündigte an, dass die jährlichen Rechtsstaatsberichte der EU-Kommission künftig auch konkrete Empfehlungen an die Mitgliedstaaten enthalten werden und kam damit Forderungen aus dem EU-Parlament entgegen. Bei der von einer Mehrheit des EU-Parlaments ebenfalls geforderten Anwendung der Rechtsstaatskonditionalität allerdings blieb sie vage. Dacian Cioloș (Renew Europe/Rumänien) forderte die Kommissionspräsidentin in der anschließenden Debatte erneut auf, zum Schutz rechtsstaatlicher Grundsätze und Werte der Union die Anwendung der Konditionalitätsregelung für den Haushalt zu nutzen.
Zur Debatte über eine schnelle Eingreiftruppe der EU nach dem Abzugs-Desaster in Afghanistan sagte von der Leyen, diese könne Teil einer Lösung sein. Aber bisher fehle der politische Wille. »Man kann die am weitesten entwickelten Streitkräfte der Welt haben – doch wenn man nie bereit ist, sie einzusetzen – wozu sind sie dann gut?« Von der Leyen kündigte einen Gipfel zur Europäischen Verteidigung unter der anstehenden französischen Ratspräsidentschaft an.
Nur durch einen Verfahrenstrick (Kaffeepause für Orbán) war es letztlich möglich, dass 26 Mitgliedstaaten auf dem EU-Gipfel am 14.12.2023 einstimmig die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine beschließen konnten und damit der Empfehlung der Europäischen Kommission folgten.
(KS) Um die erforderliche einstimmige Entscheidung zu erreichen, wurde Orbán gebeten den Sitzungssaal zu verlassen. So konnte Ungarn bei seinem nein zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen bleiben, während gleichzeitig die anderen Mitgliedstaaten dieser zustimmten.
Entsprechend der weiteren Empfehlungen des von der EU-Kommission im November veröffentlichten Erweiterungspakets 2023, stimmte der Europäische Rat zudem für die Aufnahme von Verhandlungen mit Moldau und billigte Georgien den Status eines Beitrittskandidaten zu. Die jeweiligen Verhandlungsrahmen, welche Voraussetzung für den tatsächlichen Start der Verhandlungen sind, sollen vom Rat der EU angenommen werden, sobald die im Rahmen der Empfehlungen der EU-Kommission aufgeführten Maßnahmen jeweils durch die Ukraine und Moldau ergriffen wurden. Bezogen auf die Ukraine erfordert dies vor allem weitere Reformen mit Blick auf die Bekämpfung von Korruption, der Stärkung des Minderheitenschutzes und der Eindämmung des Einflusses von Oligarchen.
Auch Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina will der Europäische Rat aufnehmen, sobald das Land das erforderliche Maß an Übereinstimmung mit den Beitrittskriterien erreicht hat. Bis März 2024 soll die EU-Kommission hierzu einen Bericht vorlegen, um eine entsprechende Entscheidung zu ermöglichen.
Vor allem die Entscheidung zur Ukraine und Moldau, folgt der Forderung des Europäischen Parlaments, das noch am Tag zuvor in einer mit großer Mehrheit angenommenen Entschließung den Europäischen Rat zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aufgefordert hatte. Die Abgeordneten fordern klare Fristen für den Abschluss der Beitrittsverhandlungen bis zum Ende dieses Jahrzehnts die Einhaltung der einschlägigen Verfahren des Beitrittsprozesses, insbesondere die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien.
Die Ukraine hatte ihren Beitrittsantrag am 28.02.2023 gestellt und bekam am 23.06.2023 auf Empfehlung der EU-Kommission den Status eines Beitrittskandidaten zuerkannt.
Gerade mit Blick auf die bisherigen Fortschritte der Ukraine im Beitrittsprozess hatte auch der Rat der EU am 12.12.2023 in seinen Schlussfolgerungen zur Erweiterung, diese insbesondere vor dem Hintergrund des andauernden Kriegszustandes, vor allem in den Bereichen der Rechtsstaatlichkeit, der Justiz- und Verwaltungsreform, der Schaffung eines rechtlichen und institutionellen Rahmens für die Grundrechte sowie der Angleichung der Mediengesetzgebung an die EU-Vorschriften für den audiovisuellen Bereich, ebenfalls gewürdigt. Zugleich wies der Rat der EU, wie auch das EU-Parlament, auf den grundsätzlich leistungsorientierten Prozess und die noch bestehenden Herausforderungen hin.
Vor dem Hintergrund einer zukünftig immer größer werdenden Union hatte zuletzt die Debatte über interne Reformen der EU an Bedeutung gewonnen, deren Notwendigkeit die Institutionen nunmehr ebenfalls betonen. Dies zum einen, um eine effektive Funktionsfähigkeit aller europäischer Organe sicherzustellen sowie zum anderen, um die finanzielle Tragfähigkeit der EU zu stärken, um neu aufzunehmende Staaten erfolgreich integrieren zu können.
Nachdem das EU-Parlament hierzu bereits am 22.11.2023 einen umfassenden Katalog an Vorschlägen für eine Änderung der EU-Verträge vorgelegt hatte, kündigte der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen an, sich in seinen nächsten Tagungen mit solchen internen Reformen befassen und perspektivisch bis Sommer 2024 einen konkreten Fahrplan für die künftigen Arbeiten annehmen zu wollen.